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Obdachloser starb an Messerstichen - Jugendliche in U-Haft

Drei Jugendliche sollen einen Obdachlosen getötet und die Tat gefilmt haben. Auch Tage nach der Tat lässt das unvorstellbare Geschehen die Menschen nicht los.

Obdachloser starb an Stichverletzungen
Blumen und Kerzen im Gedenken an einen Obdachlosen. Er wurde mit Messerstichen getötet. Foto: Sebastian Vogt/DPA
Blumen und Kerzen im Gedenken an einen Obdachlosen. Er wurde mit Messerstichen getötet.
Foto: Sebastian Vogt/DPA

Blumen und Gestecke sind an einer Stelle niedergelegt, zahlreiche Kerzen brennen. Es ist ein Ort, um der Trauer Ausdruck zu verleihen. Auf dieser Wiese in Horn-Bad Meinberg südöstlich von Bielefeld hatte ein Passant Donnerstagmorgen einen toten Obdachlosen entdeckt.

Das Opfer ist an Stichverletzungen gestorben, wie die Polizei am Samstag zu den Obduktionsergebnissen bekanntgab. Die mutmaßliche Tatwaffe ist nach Polizeiangaben ein Messer. Tatverdächtig sind drei Jugendliche, gerade einmal 14 oder 15 Jahre alt. Sie sitzen bereits in Untersuchungshaft. Sie sollen den Obdachlosen getötet sowie die Tat gefilmt und die Bilder verbreitet haben.

»Es sind immer wieder Menschen vor Ort«, schildert Pfarrer Matthias Zizelmann von den evangelisch-reformierten Kirchengemeinden Horn und Bad Meinberg auf die Blumen und Kerzen angesprochen. »In der ganzen Stadt ist eine große Betroffenheit«, berichtet er. Die Menschen seien angesichts der Tat erschreckt, seien entsetzt. Dass sich viele Menschen am Freitagabend zu einer Mahnwache versammelten, sieht der Pfarrer als ein starkes Zeichen, »dass die gesamte Stadt Horn-Bad Meinberg zusammensteht«. Ein Sprecher der rund 18 000 Einwohner zählenden Stadt schätzt, dass sich mehr als 100 Menschen versammelt haben. »Die Gedanken der Mitbürgerinnen und Mitbürger sind bei den Freunden und der Familie des Opfers«, beschreibt er.

Innenminister Reul bestürzt

Auch in der Landespolitik sorgt die Tat für Bestürzung. »Das, was wir bislang wissen, bestürzt mich. Drei Jugendliche stehen im Verdacht, einen Menschen getötet zu haben«, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Samstag. Die Kriminalpolizei setze alles daran, die Hintergründe aufzuklären. Wieder einmal frage er sich, was junge Menschen zu einer solchen Gewalttat treibe.

Die Staatsanwaltschaft geht nach ihren bisherigen Angaben von Freitag von einem zufälligen Aufeinandertreffen von Opfer und Tätern aus. Die beiden älteren der drei Jugendlichen - die beiden sind 15 - haben nach Auskunft der Staatsanwaltanwaltschaft Gewalt gegen den Obdachlosen eingestanden. Generell werden Obdachlose immer wieder Opfer von Gewalttaten. So wurde Ende September eine Obdachlose in Iserlohn bei Dortmund erschossen.

Besonders groß ist die Bestürzung, wenn Tötungsdelikte von Kindern oder Jugendlichen verübt werden. Erst vor einem guten halben Jahr hatte es in Nordrhein-Westfalen einen solchen Fall gegeben: Die zwölfjährige Luise wurde im März in einem Waldstück bei Freudenberg in Südwestfalen erstochen aufgefunden. Zwei Mädchen, selbst erst 12 und 13 Jahre alt, hatten die Tat gestanden. Zu einem Prozess wird es nicht kommen, weil Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafmündig sind.

Steigende Zahlen

Die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen ist in der Statistik der Straftaten in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2022 gestiegen. Bei den Tatverdächtigen unter 21 Jahren im Bereich Körperverletzung wurde nach Angaben des NRW-Innenministeriums 2022 ein Anstieg um ein Drittel gegenüber 2021 festgestellt.

Kriminologe Professor Thomas Feltes erklärt, dass die Zahl der Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen - auch die der schweren Gewalttaten - lange Zeit rückläufig gewesen sei. Zahlen aus dem Jahr 2022 ließen sich anhand von Einschränkungen während der Corona-Pandemie erklären, sagte er der dpa. Corona habe bei Jugendlichen Wirkung hinterlassen. »Die Folgen sehen wir jetzt nicht nur in der Bildung.« Auch im sozialen Bereich seien Defizite entstanden. Ob die Zahlen in diesem Jahr wieder zurückgingen, bleibe abzuwarten.

Feltes betonte, dass er sich nicht zu Einzelfällen äußere, sondern zur generellen Entwicklung: »Es gibt keinen Grund wieder in die alte Leier zu verfallen, die Jugend war noch nie schlimmer als heute«, betonte er.

In Horn-Bad Meinberg sind die Ermittler den Jugendlichen durch die Aufnahmen auf die Spur gekommen, die die mutmaßlichen Täter bei der Tat gemacht und dann verbreitet haben sollen. Pfarrer Zizelmann sieht viele Dimensionen der Betroffenheit. Neben Freunden und Angehörigen des Opfers denkt er an Schüler, die das Video möglicherweise gesehen haben und auch an die Familien der Tatverdächtigen. Mit Blick auf das Internet und soziale Netzwerke mahnt er, dass das eine Situation sei, in der sich auch leicht Hass und Hetze breit machen könnten. »Man sollte sich in der Trauer nicht auseinander bringen lassen«, sagt er.

© dpa-infocom, dpa:231027-99-723983/11