ERFURT. Notfallseelsorger kommen nach eigener Darstellung immer öfter an Schulen zum Einsatz. In den vergangenen Jahren hätten solche Anfragen enorm zugenommen, sagte Ralf Radix, Vorsitzender der Konferenz Evangelische Notfallseelsorge in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Er führt dies aber nicht auf mehr Notfälle zurück: »Die Sensibilität für das Thema ist gestiegen, und Lehrer wissen, dass es die Notfallseelsorger und die Kriseninterventionsteams gibt.«
Radix äußerte sich in Erfurt vor Beginn des mehrtägigen Bundeskongresses der Notfallseelsorge und Krisenintervention. Dabei tauschen sich rund 350 in psychosozialen Bereichen speziell ausgebildete Helfer über den Umgang mit Krisen an Schulen aus. Auch die Leiterin des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums soll bei dem Kongress einen Vortrag halten; 2002 hatte ein ehemaliger Schüler an dem Gymnasium 16 Menschen und sich selbst erschossen.
Notfallseelsorger - häufig Pfarrer der großen christlichen Kirchen - und ihre nicht geistlichen Kollegen kommen aber nicht nur nach Amokläufen zum Einsatz, sondern auch, wenn zum Beispiel ein Schulbus verunglückt oder ein Mitschüler stirbt. Sie kümmern sich dann um Schüler, Lehrer und Eltern.
Notfallpädagogik-Spezialist Harald Karutz betonte am Mittwoch, dass mit Kindern und Jugendlichen in Krisensituationen anders umzugehen sei als mit Erwachsenen. Große Bedeutung komme dabei der Schule zu - unabhängig davon, ob sich das schlimme Geschehen in der Schule oder außerhalb ereignet habe.
Karutz zufolge haben inzwischen viele Schulen eigene Krisenteams. Allerdings seien das meist Lehrer, die auch selbst betroffen sein könnten, weshalb auch Notfallseelsorger von außerhalb gebraucht würden. Die Helfer suchten gemeinsam mit den Schulen nach Antworten auf Fragen wie: Welche Kinder haben welchen Bedarf? Soll es eine Gedenkveranstaltung geben? Was ist mit dem leer gebliebenen Platz im Klassenzimmer?
Das deutschlandweite Netz der Notfallseelsorger und der Kriseninterventionsteams umfasst nach Angaben von Radix aktuell etwa 7500 Aktive. Sie helfen jährlich bei 25.000 akuten Notfällen Opfern, Hinterbliebenen und anderen Betroffenen. Sie sind beispielsweise dabei, wenn Todesnachrichten überbracht werden oder wenn kurz nach Unfällen oder Anschlägen psychologische Hilfe gebraucht wird. (dpa)