Hannover (dpa) - Eine Mutter soll ihre kleine Tochter nur in Unterwäsche nachts in eine Metallbox gesperrt und mehrfach gezwungen haben, ein Elektrohalsband für Hunde zu tragen.
Seit heute steht die 44-Jährige wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen vor dem Landgericht Hannover. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft setzte die Hundetrainerin »drakonische Strafen« ein und fügte dem Mädchen Angst und Schmerzen zu, wenn es sich »unpassend« verhielt.
Zwischen August 2016 und September 2017 habe die Tochter mehrfach ein Elektrohalsband tragen müssen, wobei die Angeklagte mindestens einmal einen Stromschlag ausgelöst habe. Derartige Halsbänder sind in Deutschland nach Tierschutzrecht verboten.
Kurz nach der Einschulung soll die Mutter das Kind im Wald ausgesetzt haben, weil es seine Hausaufgaben nicht machen wollte. Der 44-Jährigen wird zudem vorgeworfen, das Mädchen mit einer Peitsche und einem breiten Holzstück geschlagen zu haben. Letzteres habe immer griffbereit auf dem Tisch gelegen.
Zum Prozessauftakt verteidigte sich die burschikos wirkende Angeklagte wortreich und räumte nur ein, das Mädchen einmal für kurze Zeit eingesperrt zu haben, als die Sechsjährige bereits vorher in der Hundebox im Kinderzimmer mit Kuscheltieren gespielt habe. »Ich habe sie gesichert, damit sie nicht rausläuft und vor ein Auto läuft«, sagte die kräftige Frau im braunen Sakko. Jahrelang habe sie sich für die Förderung ihrer Tochter eingesetzt - etwa mit Logopädie und Ergotherapie.
Laut Anklage sperrte die Frau aus Burgwedel im Juli 2017 das Mädchen für eine Nacht in der Box ein. Der Vater, der kein Sorgerecht hat, habe die weinende, völlig aufgelöste Sechsjährige erst am nächsten Mittag befreit, sagte die Oberstaatsanwältin. Gegen den Mann wird gesondert ermittelt.
Das Kind müsse sich selbst das Halsband umgetan haben, sagte die Angeklagte. Bevor der Hausarzt von der roten Linie am Hals ein Foto gemacht habe, sei das Kind mit dem Vater allein gewesen. Auch ein Stachelhalsband habe sich das Mädchen selbst im Bett angelegt.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurden die heute vier und neun Jahre alten Töchter der Alleinerziehenden vom Jugendamt in Obhut genommen. Die ältere Tochter hat der Staatsanwaltschaft zufolge eine schwere Bindungsstörung und war nach der Inobhutnahme für längere Zeit in einer auf Traumatherapie spezialisierten Einrichtung untergebracht.
In ihren rund anderthalbstündigen Ausführungen berichtete die Frau, dass das Kind ihr zunehmend aus den Händen geglitten sei und in der Schule unwahre Geschichten erzählt habe. Misshandlungen habe es nicht gegeben, diese wären doch sonst Ärzten, der Familienhebamme oder der späteren Familienhelferin aufgefallen, beteuerte die Frau, der im Gerichtssaal drei psychologische beziehungsweise psychiatrische Gutachter gegenüber saßen.
Die Besitzerin von zwei Belgischen Schäferhunden hatte weitere Hunde zur Pflege und Ausbildung in ihrer Wohnung. Die gelernte Bäckerin, die bei Pflegeeltern aufwuchs, sitzt nicht in Untersuchungshaft, sondern lebt inzwischen neben ihrer Lebensgefährtin in Nordrhein-Westfalen.
Die Ermittlungen waren nach Gerichtsangaben ins Rollen gekommen, nachdem sich das Mädchen einer Therapeutin anvertraut hatte. Die Videovernehmung der heute Neunjährigen wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gerichtssaal gezeigt.
An einem der kommenden Prozesstage ist der Vater des Mädchens als Zeuge geladen. Auch die Pflegeeltern der Angeklagten sollen auf Antrag der Verteidigung als Zeugen gehört werden. Nach Darstellung der 44-Jährigen haben sie dem Kind eingeredet, dass die Mutter es nicht so liebhabe wie die jüngere Schwester.