Die Angeklagte nahm das Urteil regungslos entgegen, versank aber während der einstündigen Begründung immer tiefer in ihrem Stuhl. Lebenslange Haft wegen Mordes an ihrem einjährigen Sohn, verkündete Richter Peter Goebels am Dienstag das Urteil gegen die 24-Jährige aus Güstrow, die frisch geschminkt, in grünem Parker und in Fußfesseln zum 18. Verhandlungstag im Landgericht Rostock erschien.
Die Frau ließ ihren akut an Durchfall erkrankten Sohn verdursten und verhungern. Sie habe ihre Fürsorgepflicht gröblich vernachlässigt, so die Strafkammer. Das Kleinkind war in seiner Todesnacht im September 2021 in einen Kinderautositz festgeschnallt. Die Mutter verbrachte die Nacht indessen bei ihrem Freund und Nachbarn nur eine Etage über ihrer Wohnung, ohne sich um den Jungen zu kümmern.
»Die Kinder waren für Sie ein Störfaktor«
Die Angeklagte habe die Todesgefahr und den möglichen Tod des Kindes billigend in Kauf genommen, weil sie mit ihrem Freund verabredet gewesen sei, und dem alles untergeordnet habe, so der Richter. Die Frau habe aus purer Eigensucht gehandelt. Stundenlang habe sie WhatsApp-Nachrichten geschrieben. Auch ihren damals vierjährigen Sohn habe sie schwer vernachlässigt. »Die Kinder waren für Sie ein Störfaktor.« Wenn die Frau bei ihrem Freund gewesen sei, dann habe es zwar ein Babyfon gegeben. Dies sei aber entweder nicht in Betrieb gewesen, oder sie habe es einfach ignoriert.
Die beiden Kinder ließ die Deutsche am Abend der Tatnacht alleine und unbeaufsichtigt in der Wohnung zurück. Der Einjährige starb in der Nacht zum 20. September 2021 infolge starken Durchfalls bei hochgradigem Flüssigkeitsverlust an einem Gerinnsel in den Lungenschlagadern. Die Mutter sei zu keinem Zeitpunkt steuerungsunfähig gewesen und habe gewusst, dass das Kind bei Durchfall viel Flüssigkeit brauche. Dabei hätte sie nach Worten des Richters nur einige Stufen runtergehen müssen, um nach dem Jungen zu schauen. »Sie hätten ihr Techtelmechtel unterbrechen können.« Dies habe sie aber nicht gewollt.
Als sie dann in den frühen Morgenstunden aus der Wohnung ihres Nachbarn zurück in ihre eigene Wohnung ging, legte sich die 24-Jährige erstmal im Wohnzimmer hin, ohne nach den Kindern zu sehen. Erst als sie gegen Mittag aufwachte, stellte sie den Tod des 13 Monate alten Kindes fest. Laut Gerichtsmedizin trat der Tod zwischen Mitternacht und 9.00 Uhr vormittags ein.
Schwere Vernachlässigungen
Der Sachverständige der Gerichtsmedizin habe zudem erklärt, dass die Obduktion des Leichnams »deutliche Anzeichen für Verhungern« gezeigt habe. Die Mutter habe weder für altersgerechte noch ausreichende Ernährung gesorgt. »Das Kind musste schlicht und ergreifend hungern«, so der Richter. Die Tagesmutter habe beim einzigen Aufenthalt des Kindes bei ihr berichtet, dass das Kind zwei Portionen verschlungen habe und dabei wie ein »kleiner Tiger nur auf das Essen fixiert« gewesen sei.
Der etwas ältere Bruder wurde von der Mutter nur selten in die Kita gebracht. In einigen Monaten war er nur einmal dort, in anderen siebenmal, in manchen Monaten gar nicht. Die Mutter habe immer wieder Lügen und Ausreden gehabt, warum die Kinder nicht in die Kita oder zur Tagesmutter kämen. Ihr sei zwischenzeitlich eine Familienhelferin zur Seite gestellt worden. Der Richter monierte auch behördliche Versäumnisse: »Das Jugendamt hat hier vollkommen versagt.« Der sechsjährige Sohn der Angeklagten lebt seit September 2021 beim Kindesvater.
Mit dem Strafmaß folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hatte für seine Mandantin eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr und sechs Monaten gefordert, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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