FRANKFURT/MAIN. Der mutmaßliche Täter von Frankfurt war in diesem Jahr in psychiatrischer Behandlung. Wie die Kantonspolizei Zürich am Dienstag mitteilte, seien bei einer Hausdurchsuchung Dokumente gefunden worden, die darauf schließen lassen.
Zudem war der Mann in der Schweiz polizeibekannt und wurde dort seit dem vergangenen Donnerstag gesucht. Der Mann habe seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, eingesperrt und sei dann geflohen. Daraufhin sei er in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann am Dienstag in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BKA-Präsident Holger Münch. »Er war auch im Vorfeld mit entsprechenden Delikten bereits in der Schweiz auffällig.«
Am Montag hatte der Tatverdächtige einen achtjährigen Jungen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Der Junge starb noch im Gleisbett, die Mutter konnte sich retten und wurde verletzt. Eine dritte Person, die der aus Eritrea stammende Mann auch attackiert hatte, konnte sich in Sicherheit bringen.
Laut Seehofer reiste der Tatverdächtige »offensichtlich legal« nach Deutschland ein. Sein Ministerium teilte mit, dass der Mann in Deutschland keinen Asylantrag gestellt habe. Romann zufolge liegt die Vermutung nahe, dass er auf der Flucht war. Es sei davon auszugehen, dass er an der Grenze nicht kontrolliert wurde. »An der Grenze zur Schweiz gibt es auch keine reguläre Grenzkontrolle.« Der mutmaßliche Täter sei 1979 in Eritrea geboren worden, er sei verheiratet und Vater dreier Kinder. Seinen Wohnsitz habe er in der Schweiz.
2006 sei der Mann unerlaubt in die Schweiz eingereist und habe dort Asyl beantragt, was ihm zwei Jahre später gewährt worden sei. »Er besitzt seitdem in der Schweiz die Niederlassungsbewilligung der Kategorie C, das heißt gut integriert«, sagte Romann. Der Verdächtige sei einer festen Arbeit nachgegangen, »aus Sicht der Ausländer- und Asylbehörden in der Schweiz vorbildlich«. Er sei in Publikationen sogar als Beispielfall gelungener Integration genannt worden, sagte Seehofer.
Der Bundesinnenminister verlangte eine größere Polizeipräsenz an Bahnhöfen. Außerdem müsse man technische Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit prüfen - »und zwar vorurteilsfrei«. Geld dürfe dabei keine Rolle spielen. Der CSU-Politiker erneuerte auch seine Forderung nach einer stärkeren Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Er betonte, bei der Erhöhung der Sicherheit handele sich um eine »komplexe Aufgabe«, weil es in Deutschland rund 5600 Bahnhöfe mit völlig unterschiedlichen Strukturen gebe.
Seehofer sprach von einem »kaltblütigen Mord« und »grässlichem Verbrechen«. Es werde jetzt ein Spitzengespräch, vermutlich auch mehrere, zwischen seinem Ressort, dem Bundesverkehrsministerium und der Deutschen Bahn AG zu der Frage geben, wie sich die Sicherheit an Bahnhöfen erhöhen lasse. Verantwortlich seien die beiden Minister.
Aufenthaltsrechtliche Konsequenzen ergeben sich laut Seehofer aus dem Fall in Frankfurt nicht. Unabhängig von der Attacke am Frankfurter Hauptbahnhof müsse Deutschland stärker seine Grenzen »in den Blick nehmen«. Seehofer verwies darauf, dass im vergangenen Jahr 43 000 unerlaubte Einreisen registriert worden seien. Es gehe um »intelligente Kontrollen« und nicht darum, wieder Schlagbäume zu errichten.
Seehofer betonte, obwohl die allgemeine Kriminalität zurückgehe, sei das Sicherheitsgefühl in Deutschland derzeit »sehr angespannt«. Es gebe einen »Werteverfall« in Deutschland wie mehrere Fälle in jüngster Zeit zeigten. Der Innenminister verwies auf die Randale von rund 50 Jugendlichen vor einer Polizeidienststelle in Starnberg und auf wiederholte Tumulte von Jugendlichen und jungen Männern im Düsseldorfer Rheinbad. (dpa)