Geräusche, die nach Stühlerücken klingen. Geschirr oder Gläser klappern, Rauschen, Stimmengewirr. Eine unbekannte Stimme. Schließlich sind Rapper Bushido und sein Ex-Geschäftspartner, ein Berliner Clan-Chef, zu hören. Es dauert nicht lange, bis erste Schimpfworte durch Saal 500 im Kriminalgericht Moabit hallen.
»Du bist nicht mehr korrekt, du bist falsch«, wettert der Ex-Manager des Rappers. »Du bist der größte falscheste Hund, den ich je in meinem Leben gesehen habe.« Prozessbeteiligte und -beobachter werden Zeuge eines lautstarken Streits der einstigen Partner, der aufgezeichnet worden und nun wichtiges Beweismittel in dem Prozess ist.
Das Tondokument tauchte Anfang des Jahres auf. Es soll heimlich bei einem für das Verfahren entscheidenden Treffen des Musikers und seines Ex-Managers am 18. Januar 2018 angefertigt worden sein. Seit vergangenen Februar liegt die knapp zweistündige Datei dem Berliner Landgericht vor und ist verschriftlicht worden. Nach mehrfacher Verschiebung wurde der Mitschnitt nun im Beisein von Bushido im Gerichtssaal abgespielt.
»Minute 37, Sekunde 11. Da ändert sich das Geräusch«
Der Rapper, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi, ist Zeuge und Nebenkläger in dem Strafverfahren. Ein Großteil der Vorwürfe basiert auf den Aussagen des 43-Jährigen. Die Anklage gegen den 46 Jahre alten Clanchef Arafat A.-Ch. und drei seiner Brüder lautet unter anderem auf Freiheitsberaubung, versuchte schwere räuberische Erpressung, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Untreue. Zu den mutmaßlichen Taten soll es gekommen sein, nachdem Bushido die Beziehungen zu seinem Manager aufgelöst hatte. Das habe der Clanchef nicht akzeptieren wollen. Der Rapper soll an jenem Januartag eingesperrt und mit einer Flasche und einem Stuhl beworfen worden sein.
Aus Sicht der Verteidiger des Clanchefs und seiner Brüder widerlegt die Tondatei die Darstellung von Bushido. Der Anwalt des Musikers, Steffen Tzschoppe, zweifelt jedoch die Echtheit des Tondokuments an.
Bushido nennt dafür später in seiner Zeugenvernehmung nach dem Abspielen der Audiodatei Anhaltspunkte: »Minute 37, Sekunde 11. Da ändert sich das Geräusch«, sagt er als er am Nachmittag um kurz vor 15.30 Uhr in den Zeugenstand zurückkehrt. Da sei eine »harte Kante«. Der Vorsitzende Richter Martin Mrosk hakt nach: »So wie früher bei einer Kassette, die man klebt?« Bushido bejaht. Er sieht viele Auffälligkeiten bei der Audiodatei. Inhaltlich passten Stellen nicht zusammen. Er vermutet, dass ein Großteil des Mitschnitts von einem Gespräch am 21. Dezember 2017 stammt.
Der Musiker ist an diesem Tag ohne seinen Anwalt zum Prozess gekommen, der verhindert ist. Trotzdem will der 43-Jährige wie geplant aussagen: »Ich habe meine Hausaufgaben gemacht! Fühle mich dazu in der Lage, auch körperlich«, sagt Bushido am Morgen zu Beginn des mittlerweile 77. Prozesstages.
Bisher geschwiegen aus »Angst und Ehre«
An 25 Prozesstagen hatte der Rapper über sein Leben und insbesondere über seine Zeit mit Arafat A.-Ch. als Manager berichtet – manchmal kämpfte er mit den Tränen. Seine Beziehung zu dem Clanchef verglich er mit einer Zwangsehe. 16 Jahre lang habe er geschwiegen - »aus Angst und Ehre«. Sein Ex-Geschäftspartner habe bis zu 50 Prozent seiner Einnahmen als Rapper verlangt. Bei dem Treffen im Januar 2018 sei der nun Hauptangeklagte »förmlich explodiert«, habe ihn als Verräter und Lügner beschimpft und bedroht.
Die Audiodatei vermittelt einen Eindruck. Neben Bushido und Arafat A.-Ch. sind zwei seiner Brüder mehrfach zu hören. Die Stimmung ist aufgeheizt, immer wieder gibt es hitzige Ausbrüche in deutscher und arabischer Sprache. Besonders aggressiv wirkt das Gespräch als ein weiterer Mann hinzukommt, der 2021 in die Türkei abgeschoben worden ist. Der Türke mit Verbindungen zu kriminellen Mitgliedern von Berliner Clans war wegen Gewalttaten sowie Drogenhandels aufgefallen und zuletzt angeklagt im Zusammenhang mit einer Schießerei. Dessen Zeugenvernehmung in dem Prozess ist nicht möglich, weil ihm die Behörden eine Einreise verwehren.
Viele Passagen sind von sehr schlechter Tonqualität. Ein Dolmetscher, der vom Gericht beauftragt war, die arabischen Passagen des Tondokuments zu übersetzen beziehungsweise die schriftliche Übersetzung mit dem Gehörten abzugleichen, bittet mehrfach darum, Stellen erneut abzuspielen. Auf rund 100 Seiten ist das Gespräch zu Papier gebracht worden.
Die Vernehmung von Bushido soll nun an diesem Mittwoch fortgesetzt werden. Genau zwei Jahre zuvor hat der Prozess begonnen.
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