»Wie alt ist die Schauspielerin in diesem Film eigentlich?« - Die Frage lässt sich oft gar nicht so leicht beantworten. Ein Mädchen im Teenageralter in einer Serie wirkt oft nicht wie jemand, der gerade noch in seinen Körper hineinwächst. In der neuen »Bridgerton«-Staffel, die vor Kurzen beim Streamingdienst Netflix angelaufen ist, wird die etwa 17-jährige Penelope Featherington von der 37-jährigen Nicola Coughlan verkörpert. Und andersherum funktioniert das auch: 2004 spielte etwa die 29-jährige Angelina Jolie die Mutter eines etwa 20-Jährigen im Blockbuster »Alexander«.
Stimmt es, dass man eher Frauen einer begrenzten Altersspanne in Film und Fernsehen sieht? Das sagen Schauspielerinnen und die Forschung dazu:
Ursula Karven
Wenn die mittlerweile 59-jährige Ursula Karven (»Stille Post«) an ihre Anfänge zurückdenkt, fand sie manches »idiotisch«: »Ich habe eine Staatsanwältin gespielt, da war ich 28.« Fürs eigene Gefühl wäre sie selbst gerne älter gewesen, um diese Rolle ausfüllen zu können. »Aber da braucht unsere Medienlandschaft noch Zeit, bis sie wirklich die Größe haben, zu erkennen, dass ältere Frauen große Wirkung haben und dass ältere Frauen sexy sind. Diese Realisation könnte noch ein bisschen besser stattfinden«, sagte Karven der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Ältere Frauen im deutschen Film wenig vertreten
Was Karven beschreibt, ist nicht nur ein Gefühl. Eine Studie der Universität Rostock hatte 2021 ergeben, dass weibliche Hauptfiguren im deutschen Kino an sich mit zunehmenden Alter immer seltener werden. Für Männer gelte dies ab einem Alter von 50, bei Frauen bereits ab Mitte 30. Die Studie wurde unter anderem von der Malisa-Stiftung auf den Weg gebracht, die sich für mehr Chancengleichheit von Mädchen und Frauen einsetzt. Gegründet wurde die Stiftung von Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter. Laut Studie wurden Frauen im deutschen Kino hauptsächlich als jung und schlank im Kontext von Partnerschaften und Beziehungen erzählt.
An einer ähnlichen Vorgängerstudie von 2016 hatte die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Linke von der Universität Wismar mitgearbeitet und am Buch »Ausgeblendet: Frauen im deutschen Film und Fernsehen« mitgeschrieben. Ihr zufolge sei es wichtig, keine »einfache Medienlogik« zu haben. »Es ist nicht so, dass man sieht und glaubt. Aber ein täglicher, meist alternativloser Einfluss hat einen Effekt auf uns. Es prägt uns Menschen, wenn wir nur ein eingeschränktes Frauenbild sehen.« Hingegen werde mit Männerkörpern anders umgegangen: »Während allgemein bei Frauen kritischer aufs Altern geschaut wird, geht es für Männer in den Medien ab 40 meist erst richtig los. Insgesamt sind Männer in allen Altersgruppen in Film und Fernsehen sichtbar. Und Frauen nicht.«
US-Schauspielerin Amanda Seyfried
Bei der diesjährigen Berlinale hatte die 38-jährige Seyfried (»Mamma Mia«) angemerkt, nur noch Rollen als Mutter angeboten zu bekommen, seit sie selbst Mutter geworden ist. Obwohl das einerseits recht eingeschränkte Möglichkeiten sind, gab sie zu verstehen, dass die ihr angebotenen Rollen tiefgründiger geworden seien: »Ich habe das Gefühl, dass die Möglichkeiten für mich persönlich viel aufregender geworden sind«, sagte sie der dpa am Rande der Berlinale zur Frage von unterschiedlichem Spielalter. »Ich glaube, jeder kämpft darum, gesehen und verstanden zu werden.«
Veronica Ferres
Die 58-jährige Veronica Ferres (»Das Superweib«) führt die Diskrepanzen zwischen dem Alter einer Schauspielerin und dem Alter ihrer Rolle in manchen Fällen auf reinen Pragmatismus zurück. »Was ich noch verstehen kann: dass 18-Jährige dann 17-, 16-Jährige spielen. Das hat natürlich auch mit der Volljährigkeit zu tun und mit den Gesetzen am Drehort, die einfach zum Schutz - zum Beispiel der Arbeitszeiten von Jugendlichen - dienen. Das macht für Produktionsfirmen oft Sinn«, sagte Ferres der dpa. Aber: »Was ich nicht verstehe: dass oft Jüngere ältere Rollen spielen.« Immerhin: In diesem Jahr erscheint ihr neuer Film »Unholy Trinity«, in dem die 58-Jährige an der Seite von Pierce Brosnan und Samuel L. Jackson (beide über 70) spielt. Ihre Rolle sei eigentlich für eine Frau Anfang 40 geschrieben worden.
Jella Haase
Die Berlinerin Jella Haase (31) kennt man als prollige Chantal aus den »Fack Ju Göhte«-Filmen. Sie selbst war aber schon Anfang 20, als sie in die Rolle der Oberstufenschülerin geschlüpft ist. In diesem Jahr ist sie noch einmal in der Auskopplung »Chantal im Märchenland« zu sehen gewesen. »Manchmal machts Sinn, manchmal hilft ein bisschen Lebenserfahrung, eine jüngere Figur zu verkörpern«, sagte sie der dpa. »Manchmal aber auch nicht.«
Dass man sich aber mehr und mehr daran gewöhne, dass junge Mädchen reifer wirkten als ihr Alter, liege nicht nur an Filmen. »Die Sehgewohnheit wird ja auch vor allem, finde ich, durch soziale Medien geändert«, sagte die 31-Jährige. »Wo superjunge Mädchen viel älter aussehen. Das ist schon durchaus kritisch zu bewerten.«
Die Kommunikationsforscherin Linke kann das auch auf wissenschaftlicher Ebene bezeugen. »In den traditionellen Medien und neuen Medien im Netz findet eine Hypersexualisierung vor allem weiblicher Körper statt, die auch schon bei Kinderkörpern anfängt.«
Nur bei Teenie-Serien macht die Forscherin einen kleinen Unterschied
Vor allem bei bekannten Teenie-Filmen und -Serien sind die Darstellerinnen oft älter: Teeagerin Rachel Bilson als Summer Roberts in »O.C. California« war etwa bereits 22, als die erste Staffel erschien. Die Buffy-Darstellerin Sarah Michelle Gellar war im echten Leben bereits 20, obwohl sie eine 16-jährige Vampirjägerin verkörperte. Die etwa 16-jährige Popkultur-Ikone Regina George aus »Girl's Club - Vorsicht bissig!« wurde von Rachel McAdams gespielt, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten aber schon rund zehn Jahre älter war.
Linke sieht darin einen besonderen Grund. »In Teenie-Serien und -Filmen wird eher auf Begehrlichkeiten einer jungen Zielgruppe reagiert. Jugendliche streben nach Idolen, sie wollen oft älter und eigenständiger sein. Das ist ganz natürlich, denn in dieser Lebensphase sucht man nach der einen Identität.« In entsprechenden Serien werde daher ein unrealistisches Bild von Teenagerkörpern geschaffen, so Linke. »Das ist eine Besonderheit dieses Genres und das ist aber trotzdem durchaus zu hinterfragen.«
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