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Aktuell Interview

Lokführerstreik: Das sollten Bahnreisende jetzt wissen

Menschen, die mit der Bahn reisen, könnten schwere Zeiten bevorstehen. Beatrix Kaschel von der Schlichtungsstelle Nahverkehr erklärt, welche Rechte Bahnreisende bei einem Streik haben.

Warnstreik bei der Bahn: Reisende müssen heute mit  Zugausfällen und Verspätungen rechnen. FOTO: DPA
Warnstreik bei der Bahn: Reisende müssen mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Foto: DPA
Warnstreik bei der Bahn: Reisende müssen mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen.
Foto: DPA
DÜSSELDORF. Kaum rollt das Leben nach dem Lockdown wieder an, wird es durch mögliche Streiks bei der Bahn ausgebremst. Denkbare Folgen: Verspätungen, Wartezeiten, Zugausfälle - auch noch Stunden nach Streik-Ende. Für Bahnreisende kann das nervenaufreibend sein.

Reisewillige sollten zunächst einen Blick auf die Infoseiten der Bahn werfen. Dort gibt es in der Regel allgemeine Infos und Neuigkeiten über betroffene Verbindungen, Verspätungen, Zugausfälle und etwaige Alternativen, so die Verbraucherzentrale NRW. »Die Fahrgastrechte gelten auch im Streikfall weiter«, sagt Beatrix Kaschel von der Schlichtungsstelle Nahverkehr in Düsseldorf.

ICE statt Nahverkehr? Aufhebung der Zugbindung

Wird ein Anschluss durch Verschulden der Bahn verpasst oder ist am Zielbahnhof eine Verspätung von mehr als 20 Minuten zu erwarten, können Reisende einen anderen - auch höherwertigen - Zug nehmen. Eine etwaige Zugbindung ist automatisch aufgehoben.

Man könne sich das auch beim Zugbegleiter, an einer Info oder im Reisezentrum bestätigen lassen. Dies sei aber nicht zwingend erforderlich, so die Deutsche Bahn auf ihrer Webseite.

Wer eine Nahverkehrsfahrkarte hat, kann in so einem Fall oft auch IC oder ICE nutzen. Und zwar, wenn die ursprüngliche Route nicht länger als 50 Kilometer lang war oder nicht länger als eine Stunde dauerte. In der Regel muss man dann allerdings zunächst ein gültiges Fernverkehrsticket kaufen. Die Zusatzkosten kann man sich dann zurückholen.

Manchmal gibt die Bahn im Streikfall auch generell Verbindungen des Fernverkehrs für Nahverkehrskunden frei. »Sie können im Zweifel auch ganz direkt das Zugpersonal ansprechen, ob Sie den Fernverkehrszug nutzen können, um bis an Ihr Ziel zu kommen«, rät Streitmittlerin Kaschel.

Taxifahren kann Option sein - unter Umständen

Für gestrandete Reisende hat die Deutsche Bahn im Nahverkehr schon öfter Taxikontingente organisiert, um von größeren Bahnhöfen aus Passagiere nach Hause zu bringen. Auch Sammeltransporte mit Fernbussen sind im Notfall denkbar. Daher sei es wichtig, auf dem Bahnsteig auf Durchsagen und Anzeigen zu achten, so Beatrix Kaschel.

»Wer einen Gutschein fürs Taxi bekommen hat, fragt den Fahrer besser vorher, ober er den Gutschein auch ohne Mehrkosten annimmt«, rät Kaschel. »Auf eigene Faust ein Taxi zu nehmen, kann teuer werden«. Denn dafür gelten spezielle Regeln: Die Bahn muss nur Kosten bis zu einer Höhe von 80 Euro erstatten. Und das auch nur, wenn die geplante Ankunft am Ziel zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr liegt und man per Zug mindestens 60 Minuten Verspätung hatte. Das gilt auch, wenn der letzte planmäßige Zug des Tages ausfällt und man das Ziel auch anderweitig nicht bis 0.00 Uhr erreicht.

Wenn es allerdings darum geht, einen Flieger zu erreichen, kann sich das Taxi auf eigene Faust lohnen, so Kaschel. »Anders als so mancher denkt, muss die Bahn die Kosten für einen verpassten Flieger bei Verspätung nicht ersetzen.«

Zur Not die Nacht im Hotel verbringen

Gestrandeten muss die Bahn Ersatzverkehr oder, wenn die Fahrt am selben Tag nicht möglich oder zumutbar ist, eine Unterkunft anbieten. Vor einer selbst organisierten Alternative habe beides Vorrang, so die Deutsche Bahn. Die Fahrt vom und zum Bahnhof muss von der Bahn organisiert werden, so die Verbraucherzentrale NRW.

Wer sich selbst eine Übernachtungsmöglichkeit suchen muss, sollte sich auf jeden Fall bestätigen lassen, dass die Bahn an diesem Tag keine Fahrt durchführen wird und auch keine Unterkunft bereitstellen kann. Die Rechnung des Hotels sollte aufbewahrt werden, um sie im Nachgang einreichen zu können.

Mit welchen Entschädigungen kann ich rechnen?

Kommt man nicht pünktlich ans Ziel, kann der Fahrpreis je nach Höhe der Verspätung teilweise erstattet werden. Bei Fahrtabbruch ist auch eine komplette Zurückerstattung möglich.

Wer mindestens eine Stunde zu spät am Ziel ankommt, kann 25 Prozent des Fahrpreises reklamieren. Ab zwei Stunden Verspätung lassen sich 50 Prozent des Ticketpreises zurückholen. Maßgeblich ist dabei stets die Verspätung am letzten Ziel und nicht die der bis dahin genutzten Züge.

Wer allerdings vor der Reise oder mittendrin sieht, dass insgesamt mehr als eine Stunde Verspätung eintritt, kann von der Reise zurücktreten - und den kompletten Fahrpreis zurückfordern.

Laut Deutsche Bahn kann man sich den nicht genutzten Anteil erstatten lassen, wenn man nur einen Teil der gebuchten Strecke in Anspruch nimmt. Ist die Reise als Ganzes sinnlos geworden und kehrt man auf halber Strecke zum Ausgangsbahnhof zurück, kann man sich sowohl den gefahrenen als auch den nicht genutzten Anteil erstatten lassen. Die Kosten für die Rückfahrt kann man dann zurückfordern, so die Verbraucherzentrale NRW.

Dauert eine Verspätungen länger als eine Stunde, müssen den Reisenden Erfrischungen und Mahlzeiten in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit angeboten werden, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder lieferbar seien. Wenn es nichts gibt und Reisende sich selbst etwas kaufen, sollten die Rechnungen aufgehoben werden.

Belege und Beweise sammeln

Wer auf der gebuchten Verbindung streikbedingt nicht ankommen würde, sollte sich die Verspätung bestätigen lassen, bevor die Fahrt abgebrochen wird oder Alternativen gesucht werden. Bescheinigungen dafür seien vorbereitet, aber es könne mühselig sein, sich diese zu beschaffen, so die Verbraucherzentrale NRW. Denn: Am Streiktag ist man mit seinem Anliegen nicht allein - im Gegenteil.

Als Alternative raten die Verbraucherschützer zum Beispiel Fotos von Anzeigetafeln zu machen, auf denen die Verspätungen oder der Zugausfall zu erkennen sind. Auch Screenshots von Infos in der Bahn-App oder von der Homepage des Unternehmens können sinnvoll sein. Das ausgefüllte Fahrgastrechte-Formular kann mit solchen Belegen im Servicecenter, per Post oder im Internet eingereicht werden.

Die Informationen zu Verspätungen und ausgefallenen Züge hat die Bahn zwar auch in ihrem System. »Aber mit Belegen und Beweisen sind Sie im Streitfall noch besser gerüstet«, so Beatrix Kaschel.

Am Streiktag ins Auto wechseln - gute Idee?

Wer dem Streik aus dem Wege gehen will und aufs Auto umsteigt, sollte Staus und längere Fahrtzeiten einkalkulieren, so die Verbraucherzentrale NRW. Kosten für die Autonutzung könne man sich zudem nicht von der Bahn erstatten lassen. (dpa)