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Kräuterwiese statt Betonfläche: So kann Insekten geholfen werden

Ein bedrohter Schachbrettfalter sitzt auf einer Kleeblüte.  FOTO: GOLLNOW/DPA
Ein bedrohter Schachbrettfalter sitzt auf einer Kleeblüte. FOTO: GOLLNOW/DPA
Ein bedrohter Schachbrettfalter sitzt auf einer Kleeblüte. FOTO: GOLLNOW/DPA

BERLIN. Morgens auf dem Weg zur Arbeit klatscht es plötzlich an der Windschutzscheibe. Übrig bleibt ein kleiner grauer Fleck am Fenster. Das Insekt, das da gerade erwischt wurde und dabei den Aufprall nicht überstanden hat, ist nur ein Beispiel, denn so sterben Insekten. Problematisch ist jedoch, dass das Insektensterben in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Was sind die Gründe für den drastischen Rückgang? Jede und jeder Einzelne kann jetzt im Frühling helfen und aktiv beim Umweltschutz werden.

- Wie ist die Entwicklung beim Insektensterben?

»In den letzten 30 Jahren ist die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten um rund 75 Prozent zurückgegangen«, lautet das Ergebnis einer vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) als bahnbrechend bezeichneten Studie des Entomologischen Vereins Krefeld, die schon damals im Jahr 2017 für viel Aufsehen gesorgt hat. Der Trend habe sich bereits vor der Corona-Pandemie in anderen Studien bestätigt – zwei Initiativen in Bayern und Baden-Württemberg waren zu dieser Zeit mit dem Spruch »Rettet die Bienen« betitelt. Aber auch zwei Jahre nach den Kampagnen für mehr Bienen im Süden geht die Zahl der Insekten bundesweit weiterhin zurück. »Schmetterlinge, Hautflügler, Libellen, Eintagsfliegen und Dungkäfer gehören zu den am stärksten bedrohten Arten«, informiert der World Wildlife Fund (WWF).

- Warum sind Insekten wichtig für die Umwelt und welche Auswirkung hätte ein anhaltender Trend im Rückgang?

»Sterben die Insekten, stirbt früher oder später auch der Mensch«, warnt der Landesvorsitzende des Nabu in Baden-Württemberg, Johannes Enssle. So schlage die Wissenschaft besonderen Alarm, weil Tausende Schwebefliegenarten in ganz Europa vom Aussterben bedroht sind. Der Mensch und die Tierwelt sind auf die Insektenwelt angewiesen, weil Insekten einen Großteil der Pflanzen bestäuben. Schwebefliegen beispielsweise bestäuben nach Informationen des WWF einen Großteil der Obstbäume, ohne sie gäbe es also keine Birnen oder Äpfel auf den Obstwiesen. Deshalb sind Insekten die »Grundlage für ein funktionierendes Ökosystem«, so der Nabu.

- Warum nimmt das Insektensterben immer weiter zu?

Das Insektensterben hat vielerlei Gründe, hängt aber größtenteils mit der Lebensweise des Menschen in Bezug auf seine Umwelt zusammen. Dort, wo es fast keine freien Flächen für wilde Sträucher und Wiesen gibt – betonierte Parkplätze oder in Innenstädten – können keine Insekten leben. Der Nabu spricht hier von Verstädterung und dem Einsatz einer Flächenversiegelung. Zusätzlich feuert der Klimawandel die Entwicklung durch lange Trockenzeiten im Sommer weiter an, teilt der Nabu mit.

EIN INSEKTENPATE WERDEN

Wer den Nabu Deutschland aktiv beim Insektenschutz unterstützen will, kann mit einer steuerlich absetzbaren Insektenpatenschaft helfen. Mit Umwelt-Aktionen, politischer Arbeit oder Umweltbildung versucht der Nabu, gegen das Insektensterben vorzugehen. Der Spendenbetrag kann selbst gewählt werden und als Insektenpate erhält regelmäßig einen Nabu-Newsletter über Neues aus der Insektenwelt. Weiterer Infos zum Projekt: https://www.nabu.de/spenden-und-mitmachen/patenschaften /insekten/index.html

Daher fordert der Naturschutzbund seit Längerem den Erhalt von Streuobstwiesen und ein bundesweites Schottergartenverbot von der Politik. Aber auch der Einsatz von Pestiziden tötet Insekten. Besonders aggressive Düngemittel beseitigen zwar ungewünschtes Ungeziefer am Salat, töten aber auch alle anderen Insekten auf dem Gemüse. Was könnte helfen? »Das EU-Renaturierungsgesetz oder die EU-Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könnte eine Trendwende beim Insektensterben herbeiführen«, heißt es in einer Stellungnahme des Nabu. Momentan seien die Maßnahmen der Bundesregierung hierbei noch zu wenig wirksam, so der Nabu, wie zum Beispiel beim Glyphosat-Verbot.

- Welche Maßnahmen werden vonseiten der Politik ergriffen?

Um der immer dramatisch werdenden Lage Einhalt zu gebieten, hat der Bundestag in 2019 das »Aktionsprogramm Insektenschutz« veröffentlicht und danach in 2020 das sogenannte »Insektenschutzpaket« verabschiedet. Im Regierungsbeschluss ist unter anderem ein Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel enthalten, genauer gesagt Herbizide und Insektizide. Gerade Letztere bedeuten für Wildbienen oft den Chemie-Tod, wenn sie die Stoffe beim Landen auf Blüten aufnehmen. »Bemühungen von Privatpersonen sind enorm wichtig, aber viel wichtiger ist, dass die Politik mehr Einsatz für den Insektenschutz zeigen sollte«, sagt Silvia Teich, Pressesprecherin vom Nabu-Deutschland.

- Was kann jeder Einzelne tun, um die Insektenwelt zu schützen?

Ob im eigenen Garten oder auf dem Balkon – Insekten lieben Frühblüher: »Sie sind eine erste Nahrungsquelle für viele Insekten und spielen darüber hinaus für andere Tiere eine wichtige Rolle«, teilt der Nabu mit. Weil die meisten Insekten fliegen können, kann natürlich auch im heimischen Balkonien gepflanzt werden – sehr simpel mit Balkonkästen. Zusätzlicher positiver Nebeneffekt: Der Balkon sieht gleich viel schöner aus und nicht nur die Insekten, sondern vielleicht sogar die Nachbarn, freuen sich über eine Aussicht voll bunter Blütenpracht.

- Welche Pflanzenarten können für Insekten im Baumarkt gekauft werden?

»Narzissen, Krokusse, Buschwindröschen, Schneeglöckchen oder Huflattich«, nennt der Naturschutzbund als gute Blumen für Insekten. Auch für einen richtigen Insekten-Garten, zum Beispiel als Ferienprojekt für Eltern mit ihren Kindern, kann der Nabu einige geben. So sei die einfachste Maßnahme, eine »Wilde Ecke« im Garten stehen zu lassen, ohne Aufwand, die weder gemäht noch betreten werden sollte. Insekten können sich so im hohen Gras verstecken und ungestört auf Nahrungssuche gehen, wenn sie in Frieden gelassen werden.

- Was kann sonst noch getan werden?

Neben den schon erwähnten Frühblühern wäre die nächste Stufe bei der Insekten-Hilfe, ein ganzes Teilstück im Garten den Krabbeltieren zu widmen. »Wildblumenbeet« oder »Wildstaudenbeet« nennt sich das dann. Die Pflanzen für das Beet teilt der Nabu in Leit- und Begleitstauden ein, die vereinzelt das Beet dominieren und ansonsten, von den Begleitstauden ergänzt, ein harmonisches Gesamtbild ergeben. Als Leitstauden eignen sich dem Nabu nach die Großblütige Königskerze, die Gewöhnliche Akelei, der Natternkopf, die Schafgarbe oder der Gelbe Eisenhut – als Begleitstauden beispielsweise der Blutstorchschnabel, die Kuckuckslichtnelke, oder Gewöhnlicher Hornklee. »Wichtig ist, dass man im Garten, wenn die Stauden im Herbst abgeblüht sind, sie stehen lässt und nicht abschneidet«, merkt Teich an.

- Wie wird sich der Trend bei den Insekten entwickeln?

Ob die Maßnahmen der Bundesregierung, der Einsatz des Nabu und die Hilfe aus der Bevölkerung genug sein werden, um das Insektensterben aufzuhalten, muss sich erst noch zeigen. Einzig verlässlich und aktuell seien momentan die Zahlen aus der Krefeldstudie, »neue Zahlen gibts da noch nicht«, sagt Silvia Teich, denn aktuellere Zahlen gibt es nicht.

- Helfen Insekten- oder Bienenhotels?

»Die bringen zwar schon ein bisschen was, sind aber eher dazu da, um die Insekten anzuschauen, zur Naturbeobachtung.« Viel wichtiger sei es, den Garten so naturbelassen wie möglich zu lassen, bemerkt Teich. »Laubhaufen oder ein bisschen Tot-Holz auf dem Boden, brauchen Insekten, um sich darin verstecken zu können.« Das muss dann auch kein Laub mitten auf dem Rasen sein, sagt Teich, sondern eine ruhige Ecke im Garten – wie beim Wildblumenbeet – eignet sich perfekt. (GEA)