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Klimawandel macht vor Friedhöfen nicht Halt

Wie können Gräber in Zeiten des Klimawandels schön bepflanzt werden? Diese Frage hat zwei Friedhofsgärtner in Wiesbaden umgetrieben, sie starteten einen Versuch.

Tests mit Friedhofspflanzen
Verschiedene Pflanzen, die unterschiedlich gegossen wurden, auf einem Experimentierfeld in Hessen. Foto: Sebastian Gollnow
Verschiedene Pflanzen, die unterschiedlich gegossen wurden, auf einem Experimentierfeld in Hessen.
Foto: Sebastian Gollnow

Der Klimawandel wird unsere Friedhöfe verändern. Manche typischen und womöglich liebgewonnenen Blumen, Stauden und Gehölze könnten seltener werden - dafür kommen neue Sorten hinzu. Die Spuren von Hitze und Dürre der zurückliegenden Monate werden auch dieses Wochenende zum »Tag des Friedhofs« bei einem Besuch an den Grabstätten vielerorts sichtbar sein. Für Friedhofsgärtner bedeuten Sommer wie 2022 eine große Herausforderung.

Welche Pflanzen mit Trockenheit gut klar kommen - das testen die Wiesbadener Friedhofsgärtner Matthew Lynch und Stefan Grob seit diesem Jahr: In Reih' und Glied stehen 72 mit Holz eingefasste kleine Versuchsbeete auf dem Friedhof in Biebrich. Jede vierte Reihe wiederholt sich die Bepflanzung, mal wachsen rot blühende Blumen in den Kästen, mal Stauden oder Bodendecker. Manche bekommen pro Gießgang zehn Liter Wasser, manche fünf Liter und einige nichts. Die Kernfrage ist, wie ein Grab auch ohne viel Gießen gut aussehen kann.

In den Kästen wachsen unter anderem Begonien, Zauberschnee, Hainsimsen und eine besonders hitzeresistente Christusdorn-Variante, die mit wenig Wasser auskommt. Insgesamt ist das Projekt auf drei Jahre angelegt. Parallel wird auch die Temperatur und die Niederschlagsmenge an den Versuchsfeldern gemessen.

Was Pflanzen mögen

Nach dem ersten, heißen Sommer haben Lynch und Grob unter anderem herausgefunden, dass es kaum einen Unterschied ergab, ob die Pflanzen zehn Liter pro Gießdurchgang bekamen oder nur fünf. »Es hat sich herausgestellt, das geringe, häufigere Wassergaben dem Gedeihen der Pflanzen zuträglicher sind als einmal wöchentlich größere«, halten die beiden fest. Eine weitere Erkenntnis: Sorgfältiges Angießen und danach zwei Wochen lang eine großzügige Wasserversorgung ist entscheidend für den Wuchserfolg. Dadurch kämen die Pflanzen mit Trockenheit und Hitze besser zurecht.

Auch der Zeitpunkt der Bewässerung habe eine große Bedeutung. »Unabhängig von der Wassermenge ist es sehr erstaunlich, wie Gießen in den frühen Morgenstunden und in den Abendstunden der Blattgesundheit und der Blütenausprägung zuträglich ist«, resümieren Lynch und Grob. Durch Gießen in diesen Zeitfenstern lasse sich die Wassermenge um etwa ein Viertel reduzieren.

Fette Henne kommt mit Trockenheit gut zurecht

Zukünftig würden auf den Friedhöfen Pflanzen verschwinden, die auf längere Trockenperioden empfindlich reagieren, erklärt Peter Houska von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Wasserknappheit oder mögliche Gießverbote könnten beispielsweise für Hortensien, Rhododendren oder Forsythien zum Problem werden. »Auch flachwurzelnde Nadelgehölze wie beispielsweise Thuja haben Schwierigkeiten, längere Trockenphasen auf Friedhöfen zu überstehen«, erklärt Houska.

Auf den Gräbern werde man mehr Pflanzen sehen, die mit trockenen bis mäßig feuchten Böden gut zurechtkommen, beispielsweise Fette Henne, Teppich-Thymian, Kugelblume, Stachelnüsschen, Lavendel oder Steppensalbei, prognostiziert Houska und plädiert dafür, Friedhöfe künftig noch gezielter zu bewässern. »Es sollte seltener, dafür tiefgründiger gegossen werden.«

Trauerorte und grüne Oasen

Michael Albrecht vom Verband der Friedhofsverwalter betont: »Der Klimawandel macht vor den Friedhöfen nicht Halt.« Sattgrüne Rasenflächen den ganzen Sommer über gehörten wohl eher der Vergangenheit an. »Ich glaube, dass der Trend bei Grabbepflanzungen deutlich zu standortangepassten Stauden gehen wird«, sagt Albrecht. In Anbetracht von Wasserpreis und der Preissteigerung für Treibstoffe hätten sich nach seiner Einschätzung viele Friedhöfe diesen Sommer eine Reduktion der Bewässerung auferlegt.

Friedhöfe hätten sich - neben ihrer Funktion als Trauerorte - vielerorts zu wichtigen grünen Oasen entwickelt, erklärt der Kunsthistoriker Dirk Pörschmann, Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Oft seien sie mehrere Hektar groß und böten damit einen Rückzugsraum für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Dies sei vielen Friedhofsverwaltungen bewusst, es werde intensiv über eine naturnahe Bepflanzung nachgedacht. Außerdem gebe es beispielsweise Insektenhotels und Rasen würden seltener gemäht, um Blühflächen zu schaffen.

© dpa-infocom, dpa:220916-99-784436/3