Das Anwesen dürfte zu Boris Johnson passen. Das denkmalgeschützte Landhaus Daylesford House im georgianischen Stil verfügt über eine Orangerie und großzügige Parkflächen.
Ein perfekter Ort also für die Hochzeitsfeier des britischen Premiers, der für seine Geltungssucht ebenso bekannt ist wie für seinen lockeren Umgang mit Geld und der Wahrheit. Etwa 14 Monate nach ihrer heimlichen Hochzeit haben der 58-Jährige und seine Ehefrau Carrie Johnson (34) rund um das Daylesford House im großen Kreis gefeiert. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder, den zweijährigen Sohn Wilfred und die siebeneinhalb Monate junge Tochter Romy.
Doch die Party-Location inmitten der malerischen Landschaft der Cotswolds lässt aufhorchen. Denn das Anwesen nahe dem Dorf Stow-on-the-Wold gehört dem milliardenschweren Unternehmer Anthony Bamford - einem Großspender von Johnsons Konservativer Partei. Mittlerweile in den Adelsstand erhoben und ein Mitglied der zweiten Parlamentskammer House of Lords, hat Lord Bamford die Tories seit 2001 mit insgesamt 14 Millionen Pfund (16,7 Mio Euro) unterstützt.
Unvergessen, wie Johnson einst mit einem Bagger von Bamfords Baumaschinenhersteller JCB, auf dessen Schaufel »Get Brexit Done« (Lasst uns den Brexit durchziehen) stand, durch eine Styropormauer mit der Aufschrift »Stillstand« (Gridlock) brach.
Verbindungen zu reichen Gönnern
Nun soll der Brexit-Werber auch einen Teil der Hochzeit bezahlt haben, wie die Zeitung »Mirror« berichtete. Downing Street wollte sich nicht äußern, es handele sich um eine private Angelegenheit. Die Zeitung »Telegraph« schrieb, Carrie Johnson habe bei der Vorbereitung eng mit Bamfords Ehefrau zusammengearbeitet. Ein Barbecue im südafrikanischen Stil sei den etwa 200 Gästen serviert worden, so das Blatt, das genüsslich aus dem Menü zitiert: Röllchen aus dem Fleisch grasgefütterter britischer Rinder, Masa-Maistortilla-Tacos, geräuchertes Barbacoa-Lamm »und etwas, das als «uralter Getreidesalat» bezeichnet wurde«. Fotos zeigten ein riesengroßes Partyzelt auf dem Gelände, daneben luden Heuballen zum Ausruhen ein.
Es ist nicht das erste Mal, das Johnsons enge Verbindungen mit reichen Gönnern für Stirnrunzeln sorgen. So urlaubte er 2019 auf dem Karibik-Eiland Mustique, die Rechnung von 15.000 Pfund übernahm der Unternehmer David Ross. Auch für die Luxus-Renovierung seiner Amtswohnung in der Downing Street - bei der Carrie Johnson zum Spott vieler Briten goldfarbene Tapeten durchsetzte - spannte der Premier einen Tory-Spender ein. Erst nach scharfer öffentlicher Kritik zahlte der Premier Zehntausende Pfund zurück, die der Unternehmer David Brownlow zwischenfinanziert hatte. In jedem Fall reagierte Johnson verwundert auf die Anschuldigungen, er vermenge Privates und Politik.
Auch die Kritik an der Hochzeitsfeier auf dem Bamford-Anwesen wiesen seine Vertrauten zurück. Außenministerin Liz Truss, die derzeit für Johnsons Nachfolge kandidiert und deshalb bei der Party fehlte, wies Vorwürfe zurück, der Premier gebe hohe Summen aus zu einem Zeitpunkt, da viele Briten wegen explodierender Lebenskosten in Existenznot gerieten. »Ich denke, er hat das Recht, seinen Hochzeitstag zu genießen, und ich wünsche ihm, Carrie und der ganzen Familie das Beste«, sagte Truss am Rande eines Wahlkampfauftritts.
Politische Prominez eingeladen
Fotos zeigten, wie Boris Johnsons Vater Stanley sowie seine Schwester Rachael in Autos am Anwesen ankamen. Auch politische Prominenz war vertreten: Johnsons engste Verbündete im Kabinett, Kulturminister Nadine Dorries und Jacob Rees-Mogg, Staatssekretär für »Brexit-Möglichkeiten«, kamen ebenso wie Verteidigungsminister Ben Wallace und andere einflussreiche Mitglieder der Tories.
Boris und Carrie Johnson hatten am 29. Mai 2021 in der katholischen Londoner Westminster Cathedral geheiratet. Johnson ist damit der erste Premierminister seit knapp 200 Jahren, der im Amt heiratete. Wegen der Corona-Regeln konnten damals nur 30 Gäste teilnehmen.
Der Politiker steht seit Jahrzehnten auch wegen seines Liebeslebens im Fokus. Die Hochzeit mit Carrie ist seine dritte. Die Ehe mit Allegra Mostyn-Owen blieb kinderlos. Dann heiratete er die Anwältin Marina Wheeler, mit der er vier mittlerweile erwachsene Kinder hat. Das Paar ließ sich im Februar 2020 scheiden, da war der Premier bereits mit Carrie liiert, der früheren Pressesprecherin seiner Partei. Bekannt ist zudem, dass Johnson Vater einer unehelichen Tochter ist, die 2009 geboren wurde.
Tatsächlich war Daylesford House sogar eine kurzfristige Lösung. Eigentlich sollte die Party in Chequers steigen, dem offiziellen Landsitz des Premierministers. Auch um die Feier dort nicht zu gefährden, sei Johnson vor vier Wochen nicht sofort als Premier zurückgetreten, wollen Medien erfahren haben. Denn wenn er nicht mehr Regierungschef ist, hat Johnson auch keinen Zugang mehr zu Chequers. Schließlich verzichtete er doch, die Kritik war zu laut.
© dpa-infocom, dpa:220731-99-221111/7