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In vielen Bundesländern gibt es zu wenig Pflegefamilien

Das Aufnehmen von fremden Kindern und Jugendlichen ist eine schwierige Aufgabe. Vielerorts gibt es zu wenig Pflegefamilien. Was können Gründe dafür sein?

Pflegefamilie
In vielen Bundesländern gibt es zu wenige Familien, die Pflegekinder aufnehmen. Foto: Jens Kalaene
In vielen Bundesländern gibt es zu wenige Familien, die Pflegekinder aufnehmen. Foto: Jens Kalaene

Berlin (dpa) - In vielen Bundesländern werden Pflegefamilien für Kinder und Jugendliche gesucht. In Berlin fehlen jährlich etwa 500 Familien, sagte Peter Heinßen, Geschäftsführer der Familien für Kinder gGmbH, der Deutschen Presse-Agentur mit Verweis auf Schätzungen.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Familienministeriums suchen die dortigen Jugendämter verstärkt nach Pflegeeltern. Auch in Bayern gibt es zu wenig Paare für die Betreuung von Kindern, die zeitweise oder dauerhaft nicht in ihrer eigenen Familie leben können.

Einen möglichen Grund für den Engpass sieht Heinßen insbesondere im angespannten Wohnungsmarkt. Sich eine größere Wohnung zu suchen, wenn man ein Pflegekind aufnehmen wolle, sei heute kaum noch möglich. Eine weitere Ursache könne sein, dass vermehrt beide Elternteile arbeiten, hieß es vom niedersächsischen Sozialministerium. Wenn beide Partner berufstätig seien, bedeute die Aufnahme von Pflegekindern eine große Herausforderung. Jugendämter in Niedersachsen sprechen daher inzwischen gezielt auch Alleinerziehende, homosexuelle Paare und Paare mit Migrationshintergrund an, die bislang eher selten eine Pflegschaft übernahmen.

Das Problem ist in vielen Teilen Deutschlands akut: In Baden-Württemberg sei es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, Familien zu finden, die Kinder aufnehmen, hieß es vom dortigen Landesjugendamt. In der Landeshauptstadt Stuttgart ist der Bedarf an Pflegefamilien laut Jugendamt weit größer als die bestehende Zahl. Ähnlich sieht es in Hamburg aus. Auch in Schleswig-Holstein sei das Finden geeigneter Pflegeeltern ein Dauerbrenner, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums.

In Berlin lebten Ende 2018 laut Berliner Senatsverwaltung für Familie rund 2400 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien. In München sind es derzeit rund 630. »Die Zahl der Kinder, die eine Familie brauchen, nimmt zu, die Zahl der Pflegeeltern verändert sich und nimmt im städtischen Bereich wohl eher ab«, sagte Monika Görres, stellvertretende Vorsitzende beim Pfad für Kinder, dem Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien in Bayern.

In mehreren Bundesländern bekommen Pflegeeltern inzwischen mehr Geld. In Nordrhein-Westfalen gibt es seit Jahresbeginn rund zwei Prozent mehr - je nach Alter des Kindes bis zu 1010 Euro monatlich. In Schleswig-Holstein sind es seit diesem Jahr bis zu 60 Euro mehr, maximal 954 Euro im Monat.

Der Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien sieht Verbesserungsbedarf in der sozialen Absicherung von Pflegefamilien. »Zu nennen wäre da beispielsweise Altersvorsorge. Ein weiteres großes Thema ist die Frage der Regulierung von Schäden, die Pflegekinder in der Pflegefamilie verursachen. Hier greift die Haftpflichtversicherung meistens nicht.«

Alternativen zu Pflegefamilien sind Heime und Wohngruppen. »Es ist natürlich immer gut und besser für Kinder, in einer familienähnlichen Struktur aufzuwachsen«, sagte die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Cordula Lasner-Tietze. »Das hat etwas mit Bezugspersonen und Bindungen zu tun, aber auch mit Stigmatisierung.« Wo ein Kind am besten unterkomme, müsse aber stets individuell entschieden werden.

Pflegeeltern sollten bereit sein, sich auf die »Bedürfnisse des Kindes mit ihrem Erziehungsverhalten einzustellen«, so Thiele. Und sie benötigten eine »hohe Frustrationsschwelle«.