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Aktuell Bangladesch

In kleinen Schritten zum besseren Leben

Bangladesch gilt nach wie vor als armes Land und als der Flächenstaat mit der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt. Schon jetzt gibt es viele Klimaflüchtlinge, die in der Landwirtschaft keine Zukunft mehr sehen und in die Städte strömen. Nicht bei allen erfüllt sich die Hoffnung auf einen guten Job.

Armenviertel in einem armen Land: der Saat-Tola-Slum in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Kaum regnet es ein wenig, schon verwandel
Armenviertel in einem armen Land: der Saat-Tola-Slum in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Kaum regnet es ein wenig, schon verwandeln sich die Wege in Schlammpfützen.FOTOS: SCHÜRER Foto: Emanuel K. Schürer
Armenviertel in einem armen Land: der Saat-Tola-Slum in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Kaum regnet es ein wenig, schon verwandeln sich die Wege in Schlammpfützen.FOTOS: SCHÜRER
Foto: Emanuel K. Schürer

DHAKA. Salina ist eine durchsetzungsfähige, energische Frau. Salina (ihren Nachnamen nennt sie nicht, wie viele in Bangladesch) arbeitet als Projektleiterin für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) im Saat-Tola-Slum von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Es ist der größte oder zweitgrößte Slum im Land, ganz genau kann das wohl niemand sagen. Hier leben die Ärmsten der Armen. Von denen gibt es viele. Schätzungsweise leben rund 70 Prozent der städtischen Bevölkerung Bangladeschs in Slums.

Die Hütten sind aus Wellblech, Holzbrettern und Plastikteilen zusammengesetzt. Die Wege sind schlammig, sobald es auch nur ein wenig regnet. Der Eingang zum Slum ist durch ein eisernes Tor gesichert, es wird nachts sicherheitshalber geschlossen, heißt es. Das Verhältnis zwischen Slumbewohnern und anderen Einwohnern Dhakas sei nicht das beste.

Nach Naturkatastrophen wie verheerenden Zyklonen oder Überschwemmungen sind immer wieder viele Menschen aus ländlichen Regionen Bangladeschs in die Hauptstadt geströmt. Sie hoffen dort auf ein besseres, sichereres Leben. Jedes Jahr kommen rund eine halbe Million Menschen wegen des Klimawandels vom Land in die Hauptstadt, berichtet auch Sarder Shafiqul Alam vom Internationalen Zentrum für Klimawandel und Entwicklung an der Unabhängigen Universität von Bangladesch. Immer mehr Menschen, die bisher in der Landwirtschaft gearbeitet haben, wandern ab und versuchen, etwa auf dem Bau oder als Rikschafahrer ihr Geld zu verdienen.

Eierhändlerin im Saat-Tola-Slum Dhakas.
Eierhändlerin im Saat-Tola-Slum Dhakas. Foto: Emanuel K. Schürer
Eierhändlerin im Saat-Tola-Slum Dhakas.
Foto: Emanuel K. Schürer

Das UNDP engagiert sich in Zusammenarbeit mit der Regierung von Bangladesch und der britischen Hilfsorganisation UK-Aid, um das Leben in den armen Stadtvierteln Dhakas etwas lebenswerter zu machen. Das entsprechende Programm heißt auf Englisch etwas kompliziert Livelihoods Improvement of Urban Poor Communities Project (LIUPCP). Es läuft seit rund zehn Jahren. Zu den Zielen gehört die Stärkung der baulichen Infrastruktur, bessere Wohnqualität, die Organisation des Zusammenlebens sowie Ausbildung und Arbeitsförderung speziell für Mädchen und Frauen.

Schon seit 1985 lebt Salina in Dhaka, sagt sie im Gespräch mit einer Gruppe deutscher Journalisten, die mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen in Bangladesch recherchiert. Ihr Mann habe sie nach Dhaka gebracht. Der habe damals noch in der britischen Botschaft gearbeitet, sagt Salina. Ihr Mann hat seine Arbeit inzwischen verloren, doch sie ist jetzt beim LIUPCP beschäftigt.

Teil des Programms ist es, die Slum-Bewohner zu organisieren. Salina hat sich darum gekümmert, dass jeweils zwanzig Familien eine Gruppe bilden. In dieser Gruppe wird dann festgestellt, welche Probleme es in der Nachbarschaft gibt – etwa mit der Elektrizitätsversorgung, mit Regen- oder auch Hochwasser und Sanitäranlagen. Außerdem kümmert sich die Gruppe um eine Art sozialer Bestandsaufnahme, sagt Salina. Wo gibt es arbeitslose Jugendliche, wo extrem arme Familien? Welche Familie schickt ihre Kinder zur Schule, welche nicht? Nicht alle Schulen in Bangladesch sind kostenlos.

Erfolgreiche Unternehmensgründerin: Die Näherin konnte sich mit dem Zuschuss aus dem UNDP-Programm eine Nähmaschine kaufen und s
Erfolgreiche Unternehmensgründerin: Die Näherin konnte sich mit dem Zuschuss aus dem UNDP-Programm eine Nähmaschine kaufen und sich so selbstständig machen. Foto: Emanuel K. Schürer
Erfolgreiche Unternehmensgründerin: Die Näherin konnte sich mit dem Zuschuss aus dem UNDP-Programm eine Nähmaschine kaufen und sich so selbstständig machen.
Foto: Emanuel K. Schürer

Jede Zwanziger-Gruppe wählt Vertreter in ein Komitee, das dann 200 Familien vertritt und deren Probleme weitermeldet. »Ein demokratisches System«, betont Salina. So kann dann entschieden werden, welche Probleme im Slum mit dem zur Verfügung stehenden Geld am dringendsten zu lösen sind. »Wir schlagen zum Beispiel vor, wo es Platz gibt, um Toiletten zu bauen. Oder aber, wo die Trinkwasserversorgung neu geregelt werden muss, oder welche Gehwege mit Geld von den Vereinten Nationen befestigt werden sollten«, berichtet Salina. Unter anderem seien so 25 Stromanlagen gebaut, 2 300 Meter Gehweg befestigt und zehn Toiletten errichtet worden.

Arme Frauen können aus Projektgeldern auch einen Zuschuss bekommen, wenn sie sich eine Existenz aufbauen und ein kleines Geschäft gründen wollen. 5 000 Taka (umgerechnet etwa 50 Euro) gibt es dafür. Beim Rundgang durch den Slum zeigen Salina und ihre Mitstreiterinnen immer wieder auf entsprechende, in bescheidenem Maß erfolgreiche Unternehmerinnen. Die eine handelt jetzt mit Eiern, die andere hat sich mit dem Zuschuss eine Nähmaschine gekauft und bietet jetzt stolz ihre Dienste als Schneiderin an. Auch eine aus Projektmitteln gebaute Toilette für zwanzig Menschen in der Nachbarschaft wird stolz präsentiert.

Moni wohnt im Saat-Tola-Slum in Dhaka. Sie hat mit UN-Unterstützungen einen kleinen Kleiderladen aufgemacht.
Moni wohnt im Saat-Tola-Slum in Dhaka. Sie hat mit UN-Unterstützungen einen kleinen Kleiderladen aufgemacht. Foto: Emanuel K. Schürer
Moni wohnt im Saat-Tola-Slum in Dhaka. Sie hat mit UN-Unterstützungen einen kleinen Kleiderladen aufgemacht.
Foto: Emanuel K. Schürer

Ein paar Ecken weiter steht die Geschäftsfrau Moni. Auch ihr hat das UN-Projekt geholfen. Sie war acht Jahre alt, als sie 1988 wegen einer Überschwemmung nach Dhaka kam und sich hier ansiedelte, erzählt sie dem GEA. Damals wohnten im Saat-Tola-Slum noch weit weniger Menschen. Ihre acht Brüder und Schwestern hätten viel gelitten, erzählt sie. Moni ist seit 1998 verheiratet und inzwischen Mutter von drei Töchtern und einem Sohn. Die älteste ist 18 Jahre alt und geht in die zehnte Klasse. Aus dem Projekt der UNDP hat Moni vor circa acht Jahren 5 000 Taka (rund 50 Euro) bekommen und damit einen kleinen Kleiderladen aufgemacht, sagt sie. Auch ihr Mann betreibe einen kleinen Laden im Slum. Heute gehe es ihnen besser, sagt Moni. Eine ihrer Töchter solle übrigens Krankenschwester werden, erwähnt sie noch.

Die Projektleiterin Salina (Mitte) erklärt im kleinen Gemeindezentrum des Saat-Tola-Slums von Dhaka, was getan wird, um das Lebe
Die Projektleiterin Salina (Mitte) erklärt im kleinen Gemeindezentrum des Saat-Tola-Slums von Dhaka, was getan wird, um das Leben der Ärmsten erträglicher zu machen. Foto: Emanuel K. Schürer
Die Projektleiterin Salina (Mitte) erklärt im kleinen Gemeindezentrum des Saat-Tola-Slums von Dhaka, was getan wird, um das Leben der Ärmsten erträglicher zu machen.
Foto: Emanuel K. Schürer

Mitunter übernimmt LIUPCP auch die Kosten für Schule und Ausbildung, wenn die Eltern sie nicht selbst tragen können. Einen Kindergarten gibt es ebenfalls, damit Mütter arbeiten gehen können. Außerdem wird eine Art Sparkasse organisiert. Familien sparen mindestens 20 Taka (circa 2 Cent) pro Woche. Und wer Geld braucht, kann sich aus dem angesparten Kapital dann auch etwas zu geringem Zins ausleihen. Oft sind es eben schon kleine Schritte, die das Leben im Slum verbessern können. (GEA)