Rund ein halbes Jahr nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein im Streit um die Corona-Maskenpflicht hat am Montag der Mordprozess gegen einen 50-Jährigen begonnen.
Laut Anklage soll er den 20 Jahre alten Mitarbeiter Mitte September 2021 getötet haben, nachdem dieser den Kunden mehrfach auf die coronabedingte Maskenpflicht hingewiesen hatte. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.
Gleich nach der Verlesung der Anklage geriet der Prozess ins Stocken. Der Grund: Am Donnerstag hatte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz nach Gerichtsangaben neue, umfangreiche Akten vorgelegt, von der die Verteidigung nach eigenen Angaben erst am Montag erfuhr - ebenso wie von dem Ermittlungsverfahren, das das Landeskriminalamt (LKA) im Auftrag der Koblenzer Behörde geführt hat. Auf Antrag der beiden Verteidiger wurde der Prozess unterbrochen und soll voraussichtlich an diesem Freitag oder - je nach Aktenlage - erst am 31. März fortgesetzt werden.
Bei den Akten soll es unter anderem um mögliche Verbindungen des Angeklagten zur »Querdenker«-Szene gegangen sein. Diese Ermittlungen des LKA richteten sich aber nach Worten von Oberstaatsanwältin Nicole Frohn gegen Dritte, nicht gegen den 50-Jährigen selbst. Laut Ermittlungen hatte sich der Angeklagte zwar mit Theorien von Corona-Leugnern befasst, ohne aber in einer Gruppe oder Organisation aktiv gewesen zu sein.
Mit der Unterbrechung will das Landgericht Bad Kreuznach der Verteidigung Gelegenheit geben, die nach Vorlage der Akten entstandene Lage zu bewerten und mit dem 50-Jährigen zu besprechen, der zurzeit in Untersuchungshaft sitzt.
Es handele sich um insgesamt rund 1300 Aktenseiten, darunter auch ein 26 Seiten umfassendes psychologisches Gutachten über den Angeklagten, sagten die Verteidiger Alexander Klein und Axel Küster nach einer ersten Prüfung in einer Sitzungsunterbrechung. Eigentlich wollte sich der Angeklagte bereits am Montag zu dem Tatvorwurf äußern. Sein Anwalt Klein hatte vor Prozessbeginn angekündigt, dass sein Mandant ein Geständnis ablegen und seine Reue ausdrücken wolle. Strittig könnte dagegen werden, ob die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe erfüllt sind.
Den Ansturm der zahlreichen Fotografen und Kamerateams zum Prozessauftakt ließ der 50-Jährige mit verschränkten Armen, gebeugtem Kopf und geschlossenen Augen über sich ergehen. Er trug - wie alle im Gerichtssaal - eine Corona-Schutzmaske. Im Lauf des Prozesses verzichtete er mit Erlaubnis der Vorsitzenden Richterin Claudia Büch-Schmitz aber auf die Maske. Nur wenige Meter von dem Angeklagten entfernt saß am Montag die Mutter des 20-jährigen Opfers. Sie ist Nebenklägerin in dem Prozess.
Die Verteidiger wollen mit ihrem Mandanten an diesem Mittwochabend die neue Entwicklung besprechen und dann entscheiden, ob der Prozess am Freitag fortgesetzt wird. Oder ob neue Sachverhalte aufgetaucht sind, die eine Auswirkung auf die geplante Stellungnahme des Angeklagten haben werden.
Laut Staatsanwaltschaft handelte der Täter »heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen«. Der zuvor nicht polizeibekannte Deutsche hat die Tat gestanden. Nach seiner Festnahme soll er laut Anklage gesagt haben, er habe sich seit langem durch die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordneten Beschränkungen belastet gefühlt und beschlossen, »ein Zeichen zu setzen«. Er habe seinen Zorn gegen den Tankstellen-Mitarbeiter gerichtet, da er gewusst habe, dass er an die für die Maskenpflicht politisch Verantwortlichen nicht herankomme, sagte Oberstaatsanwältin Frohn am Montag.
Angeklagt ist der 50-Jährige auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Bis Mitte Mai sind zunächst noch zwölf weitere Verhandlungstermine angesetzt.
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