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Hitze-Alarm - Ist Deutschland ausreichend gerüstet?

Werte über 35 Grad sind für Teile des Landes vorhergesagt. Doch Ärztinnen und Ärzte sehen Deutschland nicht ausreichend auf große Hitze vorbereitet. Was helfen könnte.

Hitze
Wenn das Thermometer steigt und steigt: Hohe Temperaturen belasten die Bevölkerung teils schwer. Foto: Frank Rumpenhorst
Wenn das Thermometer steigt und steigt: Hohe Temperaturen belasten die Bevölkerung teils schwer.
Foto: Frank Rumpenhorst

Wieder Hitze-Alarm in Deutschland: Von möglicherweise vielen Toten durch sehr hohe Temperaturen warnte bereits vor Tagen der Bundesgesundheitsminister. Ärztinnen und Ärzte fordern Deutschlands Kommunen zur Bereitstellung von kühlenden Räumen wie etwa Kirchen auf - falls nötig kurzfristig.

Für die Bundesärztekammer sind künftige Hitzewellen allgemein bereits »die größte Herausforderung« für die Gesundheit besonders gefährdeter Menschen. Große Sorgen machen sich deshalb laut einer neuen Umfrage auch die meisten Menschen im Land. Doch bei den Vorbereitungen auf mögliche Extremwerte auf der Temperaturskala sieht es in Deutschland nach Ansicht von Kritikern schlecht aus.

Als erste Wettermodelle vor Tagen auf mögliche Extremtemperaturen in der kommenden Woche hinwiesen, stellte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fest: »Diese Hitzewelle könnte viele Todesopfer bringen.« Nun soll es nicht so extrem heiß werden und nicht so flächendeckend wie ursprünglich prognostiziert. Der Deutsche Wetterdienst sagt ab Montag aber immer noch verbreitet Werte über 30, vielfach über 35 Grad voraus. Wie schätzen Expertinnen und Experten die Lage ein?

Kurzfristig vorbereiten

»Es gibt nur wenige Kommunen in Deutschland, die einen Hitzeaktionsplan haben«, stellte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Klimawandel der Bundesärztekammer, Gerald Quitterer, Mitte der Woche vor Journalisten fest. »In wenigen Kliniken gibt es überhaupt Überlegungen, Fortbildungen dazu.« Auch die meisten Pflegeheime seien nicht vorbereitet. Wenn »eine richtig fette Hitzewelle« komme, sei es wichtig, »dass wir uns sehr kurzfristig anders vorbereiten«, so Quitterer. Die Augsburger Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann forderte die Entwicklung von Frühwarnsystemen: »Wir brauchen diese Frühwarnsysteme gerade für Erkrankte.«

Risiken für die Gesundheit

Kranke oder ältere Menschen seien besonders gefährdet, so Traidl-Hoffmann. Aber auch Kinder wegen einer bei ihnen noch reduzierten Fähigkeit zur Temperatur-Regulierung. Ein besonders hohes Hitzerisiko trügen Lungenerkrankte und Menschen, die gerade eine Covid-Infektion hinter sich hätten, berichtete die Medizinerin. Immer wieder landeten aber auch ursprünglich gesunde Menschen mit Hitzschlag in der Notfallaufnahme - teils in lebensbedrohlichem Zustand. Gefährdet sei das Herz-Kreislauf-System.

Tausende Hitzetote

Im Körper gebe es zudem bestimmte Kipppunkte, ab denen Hitzeschäden nicht mehr reversibel seien, so Traidl-Hoffmann. »Wenn die Kipppunkte überschritten sind, kann man das nicht mehr rückgängig machen.« Einer Anfang des Monats veröffentlichten Studie des Robert Koch-Instituts, des Umweltbundesamts und des Deutschen Wetterdiensts zufolge gab es 2018 geschätzt rund 8700 hitzebedingten Sterbefällen in Deutschland. 2019 waren es demnach rund 6900, 2020 rund 3700 solcher Sterbefälle.

Kühle Räume in den Städten

Für den Fall möglicher Spitzenwerte auf dem Thermometer fordert der Vorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, schnelles Handeln. So könnten in Kommunen Räume bereit gehalten werden, in denen man sich kühlen könne - zum Beispiel Kirchen. Denn Wohnungen könnten »zur tödlichen Falle« werden. »Das alles kann man jetzt noch machen, wenn in drei, vier Tagen eine größere Hitzewelle kommt.« Die Präsidentin der Niedersächsischen Ärztekammer, Martina Wenker, sagte der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«, besonders Städte seien von Hitze betroffen. Dort müsse es kühle Räume geben. Kommunen sollten zudem Pläne für die Versorgung besonders Betroffener entwickeln.

Vorkehrungen von Wetterdienst und Politik

Wichtig sei es, dass gefährdete Menschen schnell von Hitzewarnungen erreicht würden, forderte der Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdiensts, Andreas Matzarakis. »Mein Wunsch wäre, dass es eine Hitzewarnung im Laufband im Fernsehen gibt.« Der Wetterdienst habe mit seiner WarnWetter-App und seiner GesundheitsWetter-App seine Möglichkeiten ausgeschöpft. Lauterbachs Ministerium weist auf Anstrengungen hin, die die Politik insgesamt gegen negative Klimawandel- und Hitzefolgen unternehme: »Anpassung an Hitze betrifft zahlreiche Ressorts.«

Krankenkasse fordert Investitionen

Nach Darstellung des Gesundheitsministeriums laufen bereits viele Anstrengungen gegen Hitzefolgen. Gefragt seien auch die Länder und Kommunen sowie die Träger von Einrichtungen. Eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe habe schon 2017 Handlungsempfehlungen für örtliche Hitzeaktionsplänen erarbeitet. Der Chef der Krankenkasse KKH, Wolfgang Matz, lobte die Pläne der Ampelkoalition bei der Hitzevorsorge. Zugleich wies er aber darauf hin, dass mehr Geld nötig sei. Matz forderte Investitionen, »um unser Gesundheitssystem für die Folgen des Klimawandels fit zu machen«. Vor allem die Kommunen müssten besser dabei unterstützt werden.

Hitzetipps der BzgA

Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)

Deutscher Wetterdienst - Warnungen

Bundesregierung zu Hitzeaktionsplänen

Hitze-Tweet Lauterbachjs

© dpa-infocom, dpa:220715-99-33510/2