BRUMADINHO. Nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 84 gestiegen. 276 weitere Menschen wurden noch vermisst, wie die Zivilschutzbehörde am Dienstag mitteilte.
Die Zahl der Toten dürfte demnach noch steigen. »Die Chance, noch Überlebende zu finden, ist sehr gering«, sagte der Feuerwehrsprecher Pedro Aihara dem Nachrichtenportal G1. Die letzten Überlebenden waren am Samstagmorgen geborgen worden.
Der Damm an der Mine Córrego do Feijão des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale war am Freitag gebrochen. Eine Schlammlawine war über Teile der Anlage und benachbarte Siedlungen nahe der Ortschaft Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais hinweggerollt und hatte Menschen, Häuser und Tiere unter sich begraben. Insgesamt ergossen sich rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm auf eine Fläche von etwa 290 Hektar - das entspricht gut 400 Fußballfeldern.
Auf der Suche nach den Verantwortlichen des Unglücks nahm die Polizei zwei Mitarbeiter des Münchner Unternehmens TÜV Süd fest. »Wir können zum jetzigen Zeitpunkt bestätigen, dass zwei Mitarbeiter von TÜV Süd in Brasilien verhaftet wurden«, teilte die Firma am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mit. Der TÜV Süd hatte im vergangenen Jahr die Dämme an der Mine geprüft. Im Juni 2018 hätten Mitarbeiter eine regelmäßige Überprüfung des Damms durchgeführt und im September 2018 eine reguläre Sicherheitsinspektion, teilte das Unternehmen mit.
Zudem nahm die Polizei drei Mitarbeiter der Betreiberfirma Vale fest, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. »Vale hat das größte Interesse daran, dass die Ursache des Dammbruchs aufgeklärt wird«, sagte des Justiziar des Konzerns, Alexandre D'Ambrosio. »Wir sind bereit, den Behörden jedwede Information zur Verfügung zu stellen.«
Die Polizei durchsuchte auch die Niederlassung von Vale in Nova Lima sowie die Geschäftsräume des TÜV Süd in São Paulo und beschlagnahmte Dokumente und Unterlagen. Dem Auswärtigen Amt lagen nach eigenen Angaben keine Hinweise vor, dass sich deutsche Staatsangehörige unter den Verhafteten befinden.
Bereits im Jahr 2015 gab es im Bundesstaat Minas Gerais ein ähnliches Unglück. Bei der »Tragödie von Mariana« kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge. Bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe.
Vale kündigte nach der neuen Katastrophe weitreichende Konsequenzen an. Das Unternehmen werde alle Dämme von der Bauart wie in Brumadinho und Mariana abreißen, sagte Konzernchef Fabio Schvartsman. Die Stilllegung der zehn baugleichen Dämme werde etwa fünf Milliarden Reais (1,18 Mrd Euro) kosten und die Eisenerzproduktion des Unternehmens um 40 Millionen Tonnen pro Jahr drosseln.
In Rio de Janeiro erinnerten Demonstranten mit einer Kunstperformance an die Opfer des Unglücks und erhoben schwere Vorwürfe gegen Vale. Rotbraun beschmierte Menschen legten sich vor das Hauptquartier des Bergbaukonzerns im Stadtteil Botafogo und hinterließen ihre Handabdrücke an einer Glaswand. Eine schwarz verhüllte Frau trat als Tod auf, weitere Demonstranten enthüllten Plakate und beschrieben die Wände mit Slogans wie »Es war kein Unfall, es war ein Verbrechen«, »Mörder« und »Gerechtigkeit für Brumadinho«.
Angesichts der Katastrophe und möglicher Umweltschäden rief die Naturschutzorganisation WWF deutsche Unternehmen dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Deutschland beziehe über 50 Prozent seines importierten Eisenerzes aus Brasilien und zähle zu den größten Abnehmern des Rohstoffs. »Der Dammbruch zeigt, welch unfassbares Leid der Abbau von Rohstoffen verursachen kann«, sagte Jörg-Andreas Krüger vom WWF. »Auch deutsche Unternehmen tragen hierfür Verantwortung, wenn sie Rohstoffe aus solchen Bergwerken importieren.«
Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mahnte angesichts des Unfalls einen besseren Arbeitsschutz im Bergbau an. »Ich bin sehr traurig über die Nachricht vom Tod so vieler Menschen und Bergleute an ihrem Arbeitsplatz«, sagte Guy Ryder. »Die Tragödie erinnert uns daran, wie wichtig funktionierender Arbeits- und Gesundheitsschutz für Bergleute ist.« (dpa)