Das pittoreske Schweizer Bergdorf Lauterbrunnen ächzt unter einer bestimmten Sorte Touristen: denjenigen, die nur für ein Handy-Foto schnell vorbeikommen und wieder fahren. Die Gemeinde denkt nun darüber nach, ob sie wie Venedig als erste in der Schweiz eine Eintrittsgebühr einführen kann. »Wir brauchen eine Lösung, es muss eine Lenkungsmaßnahme her«, sagte Gemeindepräsident Karl Näpflin der Deutschen Presse-Agentur. Die Überlegungen hatten in den Schweizer Medien großes Echo gefunden.
Nach Angaben von Näpflin sind der Gemeinde nur diejenigen ein Dorn im Auge, die er »Staubach-Handy-Touristen« nennt. Gemeint sind Leute, die mit dem Auto durchs Dorf zum Staubbach-Wasserfall rauschen, ein Selfie schießen und wieder abfahren. Nur Besucher, die mit dem Auto kommen und nicht übernachten, sollen die Gebühr zahlen. In der Hochsaison seien das 6000 bis 8000 pro Tag. »Wir haben von ihnen keine Wertschöpfung, nur Ärger«, sagt Näpflin. Viele missachteten Verkehrsregeln, verstopften die Straßen und beträten Privatgrundstücke. Einheimische zögen schon weg, Stammgäste wollten nicht mehr kommen.
Lauterbrunnen lebe praktisch zu 100 Prozent vom Tourismus und Gäste seien willkommen, betont der Gemeindepräsident. Die Gemeinde, zu der auch Ortschaften wie Wengen und Mürren gehören, sei mit den regulären Gästen sehr zufrieden. Es gebe 25.000 Betten, bei nur 2600 Einwohnern.
Näpflin will prüfen lassen, ob eine Gebühr über eine Handy-App erhoben werden könnte und ob es dafür die rechtlichen Grundlagen gibt. Jürg Stettler, Professor für Tourismus an der Universität Luzern, sieht in Lenkungsabgaben ein nützliches Instrument. Die fünf Euro, die Venedig an manchen Tagen jetzt verlangt, hält er aber für zu niedrig, wie er dem Schweizer Sender SRF sagte. Die Jungfraubahnen, die mehr als eine Million Tagesgäste im Jahr auf das fast 3500 Meter hohe Jungfraujoch bringen, auch aus Lauterbrunnen, haben die Zubringerbahnen ausgebaut, damit weniger Gäste mit Auto anreisen, wie eine Sprecherin sagt.
Lauterbrunnen liegt im UNESCO-Welterbegebiet Jungfrau-Aletsch. Die Gegend ist im Winter ein Skifahrer- und im Sommer ein Wanderparadies. »Wir sind noch eines der authentischen Bergdörfer«, sagt Näpflin. »Wir wollen Flora und Fauna erhalten. Ich möchte mir nicht in 30 Jahren sagen lassen müssen: Ihr habt alles zugrunde gerichtet.«
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