BERLIN. An der großen Razzia gegen kriminelle Mitglieder eines arabischstämmigen Clans und weitere Verdächtige sind am Morgen rund 500 Polizisten aus Berlin, Brandenburg und von der Bundespolizei beteiligt gewesen.
Durchsuchungen gab es in den Stadtteilen Neukölln, Spandau, Wedding, Moabit, Schöneberg und Reinickendorf, wie die Polizei über Twitter mitteilte. Zwei Verdächtige wurden demnach verhaftet. Es gab 30 Durchsuchungsbeschlüsse, die an 22 Orten vollstreckt wurden.
Fotos zeigten, wie zahlreiche vermummte Polizisten sich vor Mietshäusern postiert hatten. Andere Polizisten führten einen Mann ab. Der Verdächtige trug eine Decke über dem Kopf, damit sein Gesicht nicht fotografiert werden konnte.
Die Verhaftungen gehen nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf entschlüsselte Daten des Kurznachrichtendienstes EncroChat zurück. »Beide Verhaftungen beruhten auf EncroChat«, sagte Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt. Laut Staatsanwaltschaft waren Datensätze, die von französischen Behörden über das Bundeskriminalamt nach Berlin gekommen seien, entscheidend, um Ermittlungen wegen Drogenhandels und Handels mit Maschinenpistolen gegen die Männer im Alter von 44 und 22 Jahren aufzubauen. Aus den EncroChat-Daten habe sich ein dringender Verdacht ergeben, der in die Haftbefehle mündete, hieß es.
EncroChat wurde vor allem von Kriminellen genutzt. Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich gelang es im Vorjahr, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen, wie die europäische Justizbehörde Eurojust im Juli 2020 mitteilte. 60.000 Teilnehmer hätten den aufwendig verschlüsselten Chatdienst genutzt. Die Kriminellen fühlten sich bei ihrer Kommunikation sehr sicher, weil es hieß, die Technik sei nicht zu knacken.
Polizei entschlossen im Kampf gegen Clankriminalität
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat die Entschlossenheit der Polizei im Kampf gegen organisierte Kriminalität betont. »Die Durchsuchungen und vollstreckten Haftbefehle zeigen: Wir bleiben dran. Wir lassen nicht nach in der konsequenten Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Und zwar unabhängig, von wem sie gerade beherrscht wird«, teilte Geisel am Donnerstag mit. Wichtig sei dabei, übergreifend und gut vernetzt gegen Kriminelle vorzugehen. Im vergangenen Jahr habe es 240 Einsätze im Bereich der Clankriminalität gegeben, 71 davon zusammen mit anderen Behörden.
Neben Verdächtigen aus der arabischstämmigen Clankriminalität würden »jetzt auch Kriminelle mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit verstärkt in den Fokus« kommen, so Geisel. »Bei ihnen herrscht ein ausgeprägter Ehrbegriff, eine hohe Affinität zu Gewalt und Waffen und eine geringe Akzeptanz staatlicher Autorität.« Diese Gruppen wollten inzwischen Teile des Rauschgifthandels übernehmen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, der Rechtsstaat müsse zeigen, »dass er präsent ist und sich Organisierte Kriminalität nicht lohnt«. Zwischen neuen tschetschenischen Banden, die zunehmend aktiver würden, und bestehenden Gruppen sei eine »extreme Konkurrenzsituation um kriminelle Geschäftsfelder entstanden, bei der die Beteiligten auch vor schwersten Gewalttaten und Waffeneinsatz nicht zurückschrecken«. Mitglieder arabischer Großfamilien seien in vielen Bereichen aktiv und würden in mehreren OK-Ermittlungskomplexen auftauchen.
Bei der Razzia ging es um organisierten Waffen- und Drogenhandel, Körperverletzungen sowie Ermittlungen des Finanzamtes zu Steuerhinterziehungen und anderen Delikten. Mitglieder eines bekannten Clans und Tschetschenen waren im November 2020 mehrfach gewalttätig aufeinander losgegangen. Vor zwei Jahren stellten der Berliner Senat und die Kriminalpolizei einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Clankriminalität vor. (dpa)