Es ist der Super-Gau für ein Nachrichtenmagazin, wenn bekannt wird, dass es wahrheitswidrige, vorsätzlich erfundene Geschichten veröffentlicht hat. Es geht dabei nicht um Fehler, die überall passieren können, wo Menschen am Werk sind. Es geht um vorsätzlich Gefälschtes.
Dem »Spiegel« ist das mit dem Fall Relotius passiert und die Macher des Magazins haben allen Grund, aufgeschreckt zu sein. Es geht letzten Endes um ihre Existenz. Glaubwürdigkeit ist das A und O von Nachrichtenmedien. Es ist das, was sie beispielsweise von PR- und Marketingprodukten und auch den sozialen Medien mit ihren Gerüchten, Fake News und Verschwörungstheorien unterscheidet. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wenn man klug ist. Medienhäuser leben vom Vertrauen ihrer Leser. Dieses Vertrauen muss – wie auch im Privatleben – permanent verdient werden. Ist es einmal weg, lässt es sich nur schwer wiedergewinnen.
Das einstmals einflussreiche Magazin »Stern« hat sich bis heute kaum davon erholt, dass es 1983 auf die gefälschten Hitler-Tagebücher hereingefallen war. Die Blamage war gigantisch und es folgte dann auch noch das Gelächter, als Helmut Dietl die skurrilen Vorgänge zur genialen Spielfilm-Komödie »Schtonk« verarbeitete. Die Creme de la Creme der deutschen Schauspieler machte gerne mit: Uwe Ochsenknecht, Götz George, Christiane Hörbiger, Harald Juhnke, Veronica Ferres, Ulrich Mühe, Rolf Hoppe und Martin Benrath.
Nicht verfilmt, aber vielen immer noch in Erinnerung und etwa auf Wikipedia nachzuschlagen, ist auch der Medienskandal um den Journalisten Tom Kummer, der um die Jahrhundertwende erfundene Interviews mit Hollywood-Prominenten veröffentlichte. Die damaligen Chefs des Süddeutsche Zeitung Magazins verloren ihre Posten.
Auch beim »Spiegel« hat der Fall Relotius bereits Karrieren geknickt. Die Redaktion war auf den unseriösen Autor hereingefallen und hatte auch Warnungen zunächst ignoriert. Die zuvor immer angepriesene Überprüfungsroutine der Texte hatte zudem kläglich versagt. Der nun veröffentlichte Abschlussbericht der Untersuchungskommission offenbart zumindest Aufklärungswillen und die Absicht, Konsequenzen zu ziehen, damit sich Ähnliches nicht wiederholt.