Erst drückende Hitze, dann schwere Gewitter und Starkregen: In vielen Teilen Deutschlands hatten die Menschen am Donnerstag mit Unwettern zu kämpfen - es fielen teils golfballgroße Hagelkörner, heftiger Regen flutete Straßen und Keller. Größere Schäden wurden bis zum Abend nicht bekannt.
Los ging es am Nachmittag im Westen und Teilen des Südwestens. Am späteren Abend waren Hessen und Sachsen-Anhalt stark betroffen. Für die Nacht warnte der Deutsche Wetterdienst bis nach Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg vor schweren Gewittern.
Wetterdienst warnt vor Sturm, Starkregen und Hagel
Nach DWD-Informationen sollte das Tief am Abend und in der Nacht zum Freitag über die Mitte Deutschlands ostwärts ziehend - gewarnt wurde vor schweren Gewittern und teils heftigem, mehrstündigem Regen. Es könne lokal bis zu 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in kurzer Zeit geben. Zu dem Starkregen seien schwere Sturmböen bis 100 Stundenkilometer sowie »großer Hagel bis 5 cm Korngröße« möglich, hieß es am Donnerstagabend.
Eine Steigerung von extremen Orkanböen um 140 Stundenkilometer sowie sehr großer Hagel bis sieben Zentimetern sei »nicht gänzlich ausgeschlossen«. Insgesamt sei aber mit einer nachlassenden Gewitteraktivität im Laufe der Nacht zu rechnen.
Sommerferienbeginn mit Unwetter - Bäume auf Oberleitung
Mit teils heftigen Regenfällen und Gewittern hatte das Unwetter Nordrhein-Westfalen erreicht - ausgerechnet am ersten Tag der Sommerferien. Für weite Teile des bevölkerungsreichsten Bundeslandes gab der DWD Unwetterwarnungen heraus. Mehrfach zogen teils sehr heftige Regenfälle über die Region. Keller liefen voll, Straßen wurden überflutet - aber bis zum frühen Donnerstagabend sind keine großen Schäden oder Meldungen über Verletzte bekanntgeworden.
Im Frankfurter Vorort Sindlingen fielen mehrere Bäume auf eine Oberleitung in Bahnhofsnähe. Mehrere Autos wurden schwer beschädigt. »Die Leute haben ein Riesenglück gehabt«, sagte ein Feuerwehrsprecher angesichts der regelrecht platt gedrückten Fahrzeuge in einem Wohngebiet - es blieb bei Sachschaden. Angesichts der Vielzahl der Feuerwehreinsätze war der Notruf überlastet. Ein Sprecher appellierte, nur in wirklichen Notfällen anzurufen, mit Wartezeiten müsse gerechnet werden.
Im oberbayerischen Valley fielen golfballgroße Hagelkörner vom Himmel. Von Schäden war bei der Polizei zunächst nichts bekannt. Auch andernorts gewitterte es am Donnerstagabend über Bayern. Die Polizei meldete zunächst jedoch keine nennenswerten Vorkommnisse.
In Rheinland-Pfalz kam es zu teils dramatischen Einsätzen von Rettungskräften. »Bei einem Einsatz war ein Baum auf ein fahrendes Auto gestürzt. Bei einem anderen Einsatz mussten Personen aus ihrem Pkw in einer vollgelaufenen Unterführung gerettet werden«, teilte der Brand- und Katastrophenschutz des Landkreises Neuwied mit. Laut dem Polizeipräsidium Koblenz wurde in dem Fahrzeug mit einem darauf gestürzten Baum niemand verletzt.
Der Katastrophenschutz teilte weiter mit: »In der Stadt Neuwied drohte ein im Bau befindliches Regenrückhaltebecken zu brechen, wodurch eine Gefahr für in der Nähe gelegene Wohnhäuser bestand.« Daher sei dort Wasser abgepumpt worden.
Ausgelastete Einsatzzentralen - abgesagte Events
Auch im Landkreis Harz gab es durch das Unwetter zahlreiche vollgelaufene Keller. Die Integrierte Leitstelle Harz sprach am Donnerstagabend von unzähligen Einsätzen, eine genaue Zahl konnte sie zunächst nicht nennen. Weiterer Einsatzschwerpunkt neben den vollgelaufenen Kellern seien auch hier Bäume auf Straßen.
Wegen des Unwetters haben die Veranstalter des Full-Force-Festivals bei Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt die für Donnerstag geplante Warm-up-Party abgesagt. Die Sicherheit habe höchste Priorität, hieß es in einer Mitteilung. »Bitte macht eure Zeltplätze sturmsicher, sichert lose Gegenstände oder baut sie wieder zurück und baut bitte keine weiteren Pavillons mehr auf.« Im Falle eines Unwetters sollten die Teilnehmer Schutz in Autos suchen. Durch das Einschalten der Warnblinkanlage könne man signalisieren, dass noch Plätze im Auto frei seien.
Einschränkungen bei Bussen und Bahnen
In Kassel in Hessen wurde der Betrieb von Bussen und Bahnen komplett eingestellt. Diese Maßnahme am Nachmittag sei aus Sicherheitsgründen gewählt worden, teilte die Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) mit. »Stürmische Böen, extreme Regenfälle und Hagelschauer hatten zum Beispiel zu überfluteten Straßen und Gleisen, auf Gleise oder Oberleitungen gestürzte Äste und Bäume geführt, die die Fahrwege blockiert haben. Es entstanden Sachschäden an Fahrzeugen in noch unbekanntem Ausmaß«, so die KVG.
Auch bei der Deutschen Bahn stellte man sich auf Probleme ein: »Reparaturtrupps und Einsatzfahrzeuge sind in Bereitschaft versetzt, um Unwetterschäden an Oberleitungen und Hindernisse im Gleisbett wie umgestürzte Bäume oder Teile von Dächern, Planen und Unrat zu beseitigen«, sagte ein Bahnsprecher.
Bahn stellt Züge zum Übernachten
Bundesweit könne es zu Verspätungen und Zugausfällen kommen, hieß es am späten Abend auf der Internetseite des Unternehmens. Der Zugverkehr sei erheblich beeinträchtigt. So waren die Strecken zwischen Berlin und Hamburg und zwischen der Bundeshauptstadt und Hannover gesperrt. Zwischen Frankfurt, Mainz und Wiesbaden fuhren ebenfalls keine Züge.
Für gestrandete Fahrgäste wegen des Unwetters stellte die Bahn zudem in mehreren deutschen Städten Züge zum Übernachten zur Verfügung. In Berlin, Bremen, Frankfurt am Main, Göttingen, Hamburg, Hannover und Kassel sind nach Angaben einer Bahnsprecherin entsprechende Züge eingesetzt worden.
Wer für Freitag ein Bahn-Ticket gebucht habe, könne die Fahrt auf einen späteren Termin verschieben. »Die Zugbindung ist aufgehoben. Das Ticket gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort, auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden«, teilte die Bahn mit.
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