Berlin (dpa) - Der boomende deutsche Immobilienmarkt lockt verstärkt Kriminelle an. Ein Problem ist Geldwäsche.
»Beim Immobiliensektor handelt es sich aufgrund der dort vorhandenen hohen Transaktionsvolumina um einen Sektor mit herausgehobenem Risiko«, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Von den erfassten 563 Verfahren zur Organisierten Kriminalität im Jahr 2016 gebe es bei sieben Prozent »Geldwäscheaktivitäten mittels Investitionen in Immobilien«. Dabei gehe es in fast der Hälfte der Fälle um russische und italienische Gruppen. Zugleich wird eine hohe Dunkelziffer eingeräumt. Seit 2009 haben sich laut Regierung die Geldumsätze im Immobiliensektor deutlich erhöht, für 2016 werden sie auf 237,5 Milliarden Euro beziffert.
Zuletzt machten Hinweise Schlagzeilen, dass auf EU-Sanktionslisten stehende russische Oligarchen über Mittelsmänner in gefragte Immobilien zum Beispiel in Berlin investieren. Ein Hauptproblem ist die Verschleierung der wahren Besitzer und Investoren über verschachtelte Firmenkonstrukte.
Ein Investor ist offensichtlich auch die italienische Mafia. So lägen Informationen vor, »dass mutmaßliche Mitglieder der `Ndrangheta, zum Teil nach Aufforderung durch Führungsmitglieder, Investitionen insbesondere im Gastronomiebereich, in der Hotellerie und in verschiedenen Handelsbranchen in Deutschland getätigt haben«, heißt es in der Antwort des Bundesbauministeriums. 2016 seien wegen verdächtiger Aktivitäten im Immobilienbereich Vermögenswerte in Höhe von 61 Millionen Euro durch den Staat vorläufig gesichert worden.
»Die in diesem Bereich regelmäßig vorhandene Wertstabilität eröffnet die Möglichkeit, insbesondere hohe Bargeldsummen zu platzieren«, wird in der Antwort betont. Zugleich wird ein Kontrolldefizit des Staates eingeräumt. »Zur Dunkelziffer der Verdachtsfälle und des Geldwäschevolumens im Immobiliensektor in Deutschland liegen der Bundesregierung keine aktuellen Informationen vor.« Die Aufsicht liegt im Bereich der Bundesländer - allerdings ist die oft personell dünn besetzt.
Derzeit laufe eine Untersuchung des Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisikos unter anderem im Immobiliensektor im Rahmen der Nationalen Risikoanalyse (NRA) der Regierung. Zudem wird auf eine Änderung der EU-Geldwäscherichtlinie verwiesen, die voraussichtlich bis Mitte Juni 2018 in Kraft treten solle - dies soll einen grenzüberschreitenden Zugang zu Informationen über Investitionen im Immobiliensektor und zu Grundbucheinträgen ermöglichen.
Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, die Schuld nicht auf die mangelhafte Aufsicht der Bundesländer abzuschieben. Die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus betonte: »Die boomenden Immobilienmärkte in deutschen Großstädten bietet die idealen Voraussetzungen für internationale Geldwäsche: schwache staatliche Kontrollen, hohe Intransparenz und satte Renditen.« Es sei ein Skandal, dass das die Bundesregierung sehenden Auges die notwendigen Reformen weiter verschleppe.
Dringend notwendig sei ein zentrales und öffentliches Immobilienregister, in dem die wahren Eigentümer eingetragen sind. Die Geldwäscheaufsicht im Immobiliensektor sei ein Flickenteppich und in vielen Bundesländern schlichtweg ein Witz. »Wir sehen bislang nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges«, meinte Paus. Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic betonte: »Trotz der hohen Dunkelziffer sprechen die Zahlen der Bundesregierung eine eindeutige Sprache, der Immobilienmarkt ist ein Hoch-Risiko-Sektor für Geldwäsche«.