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Geständnis: 85-Jähriger tötete pflegebedürftige Ehefrau

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang lebten sie als harmonisches Ehepaar zusammen - dann brachte er sie um. In München steht ein Mann wegen Totschlags an seiner pflegebedürftigen Ehefrau vor Gericht - und spricht von einem »verhängnisvollen Tag«.

Prozess in München
Der 85 Jahre alte Angeklagte im Gerichtssaal in München. Foto: Tobias Hase
Der 85 Jahre alte Angeklagte im Gerichtssaal in München.
Foto: Tobias Hase

Er kann sich noch genau daran erinnern, wie das losging damals mit seiner Frau: An einem regnerischen Tag sei das gewesen. »Sie hatte keinen Schirm dabei und ich habe sie gefragt, ob ich sie nach Hause bringen darf.« Mehr als sechs Jahrzehnte später sitzt der heute 85-Jährige vor Gericht, weil er diese Frau, in die er sich damals verliebte, umgebracht hat - nach 65 gemeinsamen Jahren, an »diesem verhängnisvollen Tag«.

Das Landgericht München II macht ihm wegen Totschlags den Prozess. Am 10. Juli dieses Jahres soll er seine Frau, die nach einer Hirnblutung vieles nicht mehr konnte, erwürgt haben, verliest der Staatsanwalt am Dienstag in der Anklage, »um diese nicht mehr pflegen zu müssen und um zu verhindern, dass er sie hilflos zurücklassen könnte«.

»Ich komm' zu Dir jetzt, ich bring Dich um«, soll er laut Anklage gesagt haben, bevor er sich vom Sofa erhob. »Du bleibst liegen, was hab ich Dir denn getan?«, soll seine Frau gesagt haben, bevor er mit einem sogenannten »Knobkierie«, einem afrikanischen Schlaginstrument, das beide aus drei gemeinsamen Jahren in Südafrika mitgebracht hatten, auf sie eingeschlagen haben soll, bis sie sich nicht mehr wehren konnte.

Danach, so steht es in der Anklage, soll er sie dann zu Tode gewürgt haben: »Nachdem der Angeschuldigte gemerkt hatte, dass die Geschädigte keine Gegenwehr mehr leistete, kniete er sich neben ihr nieder und drückte ihr am Hals die Luftzufuhr ab, bis auch das verbliebene Röcheln verstummt war.« Danach soll der Mann seinen Kopf gegen die Metallkante einer Wand geschlagen und so versucht haben, auch sich selbst das Leben zu nehmen.

Sie war eine perfekte Hausfrau

Bis seine Frau krank wurde, sei es eine liebevolle und harmonische Ehe gewesen, sagt der Angeklagte vor Gericht. Über eine Erklärung seines Anwalts gibt er die Tat zu. Darin ist von einer »Symbiose« mit seiner Ehefrau die Rede, der einzigen Frau, die er in seinem Leben je hatte.

Eine perfekte Hausfrau sei sie gewesen: »Die Unterwäsche war gebügelt, das Mittagsessen stand auf dem Tisch«, so habe er das jahrzehntelang gekannt - bis es dann nach der Hirnblutung anders wurde. Seine Frau habe nicht mehr gewusst, dass man zum Kochen von Kartoffeln Wasser brauche, da sei ihm zum ersten Mal aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. Und auch nach der Diagnose und einem Krankenhausaufenthalt sei das nicht wieder besser geworden.

»Wenn ich gesagt habe, bring mir mal Unterwäsche - das war eben so in unserer Generation - dann brachte sie mir Damenunterwäsche«, beschreibt der Mann die Situation in der gemeinsamen Wohnung im oberbayerischen Weilheim. »Ich habe zum ersten Mal ungebügelte Hemden angezogen.«

Bis dahin hätten sich die beiden, die keine Kinder und auch sonst kaum Familie haben, perfekt ergänzt - klassische Rollenverteilung inklusive. »Mann und Weib ein Leib«, heißt es in der Erklärung des Angeklagten. Die Verbindung sei so eng gewesen, dass es »kaum vorstellbar war, ohne den anderen jemals zu leben«. In der Justizvollzugsarbeit Stadelheim habe ihm zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Friseur die Haare geschnitten - bis dahin habe das immer seine Frau getan.

Nur vier Tage nach der Tat, am 14. Juni, hätte er eigentlich einen Termin in einem Altersheim gehabt, um dort einen Vertrag für die beiden zu unterschreiben. Warum es dann wenige Tage vorher zu der Tat kam, das könne er sich selbst nicht erklären, sagt der alte Mann. Er bereue die Tat jeden Tag, lässt er seinen Anwalt verlesen und dass »ich es mir nicht verzeihen kann, was ich meiner Frau an diesem Tag angetan habe«. »Für mich war es so, als sei ich ein Getriebener von unbekannter Macht.«

Diesen Satz, der nahelegt, dass der Mann sich als schuldunfähig ausgeben möchte, mag der Vorsitzende Richter so nicht stehen lassen. Er appelliert an den Angeklagten, sich das nochmal gut zu überlegen. Er müsse sich - nicht nur für das Gericht, sondern vor allem für sich selbst - damit auseinandersetzen, was er da getan habe.

Der Fall ist kein Einzelfall: Vor zwei Jahren hatte das Landgericht Würzburg einen damals 92-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem dieser seine schwer demenzkranke Ehefrau erstickt hatte. Das Gericht und auch die Staatsanwaltschaft glaubten ihm damals, dass er das aus Liebe tat, um seine Frau von ihrem Leiden zu erlösen.

© dpa-infocom, dpa:221122-99-616029/5