Der gefährliche Hurrikan »Ian« hat Kuba erreicht und dort Überschwemmungen und Schäden angerichtet. Mit anhaltenden Windgeschwindigkeiten von bis zu 205 Kilometern in der Stunde traf der Wirbelsturm am frühen Dienstag nahe der Ortschaft La Coloma im Westen der Karibikinsel auf Land, wie das US-Hurrikanzentrum (NHC) mitteilte. Nach Kuba wurde das Sturmzentrum im nahe gelegenen US-Bundesstaat Florida erwartet.
Nutzer sozialer Medien berichteten aus den besonders betroffenen Gebieten im Westen Kubas von einer furchterregenden Nacht. Ein Video zeigte ein Haus, das bei starkem Regen überflutet wurde, weil das Dach fehlte. Auf Bildern waren überflutete Straßen und umgestürzte Bäume in mehreren Orten zu sehen.
Die Kommunikation mit den betroffen Menschen war eingeschränkt, nach Berichten im Staatsfernsehen fielen mancherorts der Internetzugang und die Telefonverbindung aus. Es wurde an die Solidarität appelliert, für die die Kubaner bekannt seien. Auch in der Hauptstadt Havanna machte sich der Sturm mit Regen und starkem Wind bemerkbar.
Angesichts des allgemeinen Mangels an vielen Produkten und auch Dingen des Grundbedarfs konnten sich die Bewohner nur notdürftig vorbereiten. Viele Häuser in Kuba befinden sich zudem im Verfall und waren daher für einen Sturm schlecht gerüstet.
»Ian« erreichte Kuba nach Angaben des NHC in Miami in der Nacht (Ortszeit) als Hurrikan der Kategorie 3 von 5. Es wurde vor lebensbedrohlichen Sturmfluten, Orkanböen, Sturzfluten und Erdrutschen auf der rund elf Millionen Einwohner zählenden Insel gewarnt. Ein Nachlassen der Stärke sei zunächst nicht zu erwarten.
Der Sturm war damit nach Angaben der kubanischen Behörde für Meteorologie der zwölfte registrierte Hurrikan von mindestens der Stärke 3, der Kuba getroffen hat. Durch den Klimawandel kommt es laut Experten nicht unbedingt häufiger zu tropischen Wirbelstürmen, wohl aber zu stärkeren.
Stromausfälle und Evakuierungen
In der gesamten Provinz Artemisa fiel in der Nacht (Ortszeit) der Strom aus, wie das Portal Cubadebate unter Berufung auf den staatlichen Stromanbieter berichtete. Rund 40 Prozent der Kunden des örtlichen Versorgers in Pinar del Río seien ohne Strom, meldete die kubanische Nachrichtenagentur ACN. Die starken Böen hätten Leitungen beschädigt und Strommasten umgeworfen. Schon vor »Ian« war die Energieversorgung in ganz Kuba äußerst schwierig, es kommt häufig zu Stromausfällen.
Rund 50.000 Menschen in küstennahen Gegenden seien in Sicherheit gebracht worden, rund 55 Notunterkünfte stünden bereit, meldeten kubanische Staatsmedien. In der Tabakregion Pinar del Río, rund 150 Kilometer westlich der Hauptstadt Havanna gelegen, würden die Felder abgedeckt, um sie vor dem Sturm zu schützen. Rund 33.000 Tonnen Tabakblätter aus früheren Ernten wurden in geschützte Lager gebracht, wie es hieß. Zigarren sind eines der bekanntesten Produkte Kubas und eine wichtige Einnahmequelle der sozialistischen Karibikinsel.
Schon ab dem späten Dienstagabend (Ortszeit) wurden in Florida, rund 150 Kilometer von Kuba entfernt, Winde in Orkanstärke erwartet. Floridas Gouverneur Ron DeSantis bereitete die Bevölkerung in seinem Bundesstaat auf schwere Auswirkungen des Sturms vor. »Dies ist zu diesem Zeitpunkt ein sehr, sehr großer Hurrikan«, sagte DeSantis. Es sei noch nicht genau klar, wo genau der Sturm auf die Küste Floridas treffen werde und welche Stärke er dabei haben werde.
Warnung vor »katastrophalen Überschwemmungen«
Die Auswirkungen würden angesichts des großen Durchmessers des Hurrikans aber wohl auch in anderen Teilen des Bundesstaates spürbar sein, mahnte er. »In einigen Gebieten wird es zu katastrophalen Überschwemmungen und lebensbedrohlichen Sturmfluten kommen«, warnte er. Zugleich rief DeSantis dazu auf, Ruhe zu bewahren. »Es gibt keinen Grund zur Panik.« Florida sei gut für den Sturm gerüstet, auf allen Ebenen liefen Vorbereitungen. Sachschäden durch den Sturm könnten später repariert werden, betonte er. Das Wichtigste sei, dass sich die Menschen in Sicherheit bringen.
Der Hurrikan könnte auch den Startplan der nächsten Crew zur Internationalen Raumstation ISS durcheinanderwirbeln. Noch werde der 3. Oktober weiter als Starttermin anvisiert, sagte Kathy Lueders, Chefin der bemannten Raumfahrt bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa, am Montag. »Aber wir wissen auch, dass wir uns hier am Kennedy Space Center durch das Wetter durcharbeiten müssen.« Die nächsten möglichen Ausweichtermine seien der 4. oder 5. Oktober, hieß es.
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