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Geburtenziffer in 2022 auf niedrigstem Stand seit 2013

Trendwende oder »Ausreißer«? Die Geburtenziffer in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Ein Experte sieht einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Neugeborene
Die höchsten Geburtenziffern hatten die Frauen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Foto: Stefan Puchner/DPA
Die höchsten Geburtenziffern hatten die Frauen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.
Foto: Stefan Puchner/DPA

Im Jahr 2022 kamen in Deutschland 738 819 Kinder zur Welt. Das waren 56 673 oder sieben Prozent Neugeborene weniger als im Jahr 2021, dem geburtenreichsten Jahr seit 1997.

Wie das Statistische Bundesamt berichtete, sank die zusammengefasste Geburtenziffer im Vergleich zum Vorjahr damit um acht Prozent auf 1,46 Kinder je Frau. Das sei der niedrigste Stand seit 2013. Im Jahr 2021 hingegen war die Geburtenhäufigkeit deutlich auf 1,58 Kinder je Frau gestiegen.

Martin Bujard, Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, sieht in den Zahlen für 2022 einen Zusammenhang mit der Coronapandemie, bei der die Impfung in großem Umfang im Jahr 2021 begann. Er gehe davon aus, dass viele Frauen geplante Schwangerschaften aufgeschoben hätten bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie vollständig geimpft waren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist empirisch ziemlich eindeutig«, so Bujard. Ähnliche Zahlen gebe es etwa auch aus Schweden. »Ab Januar gingen die Geburtenraten runter.« Für Bujard zeigt sich damit ein »kluges und gesundheitsbewusstes Verhalten der Frauen mit Impfbereitschaft.«

Auch ein leichter Anstieg der Geburtenzahlen im Jahresverlauf und ein erneuter Rückgang zum Jahresende lasse sich mit dem Verlauf der Pandemie erklären: »Der Zeitraum korrespondiert mit den Lockerungen und Öffnungen - da wollten die Leute wieder leben und feiern«, sagte der Wissenschaftler mit Blick auf den Geburtenrückgang.

Steigende Lebenshaltungskosten Grund für den Rückgang?

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die steigenden Lebenshaltungskosten schlagen sich hingegen nicht in der Geburtenrate des Jahres 2022 nieder, betonte Bujard. »Das kann eventuell 2023 kommen.« Dann zeige sich auch, ob es sich beim Rückgang der Geburtenziffer um eine Trendwende oder einen einmaligen »Ausreißer« handele. Denn nachdem die Geburtenziffer jahrzehntelang um 1,3 bis 1,4 lag, war sie in Deutschland - entgegen dem europäischen Trend - ab 2014 auf 1,5 angestiegen; diesen Pfad hat sie in 2022 wieder verlassen, da sie unter 1,5 gefallen ist.

Damit die Bevölkerung eines Landes - ohne Zuwanderung - nicht schrumpft, müssten in hoch entwickelten Ländern rein rechnerisch etwa 2,1 Kinder je Frau geboren werden.

Deutliche regionale Unterschiede

Regional gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts deutliche Unterschiede. So nahm die Geburtenziffer besonders stark in Hamburg und Berlin ab, und zwar um jeweils zehn Prozent. In Bremen war der Rückgang mit rund vier Prozent am schwächsten. Die höchsten Geburtenziffern hatten die Frauen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen mit 1,52 Kindern. Am niedrigsten war, wie bereits seit 2017, die Geburtenhäufigkeit bei den Frauen in Berlin mit 1,25 Kindern. In Westdeutschland sank die Geburtenziffer im Vorjahresvergleich von 1,60 auf 1,48 Kinder je Frau, in den ostdeutschen Flächenländern von 1,54 auf 1,43 Kinder je Frau.

Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes war 2022 mit 30,4 Jahren geringfügig niedriger als im Jahr zuvor. Das Durchschnittsalter der Väter beim ersten Kind der Mutter blieb unverändert bei 33,3 Jahren. Unabhängig davon, ob es sich um das erste oder ein weiteres Kind handelte, waren Mütter im Jahr 2022 bei einer Geburt im Durchschnitt 31,7 Jahre und die Väter 34,7 Jahre alt.

© dpa-infocom, dpa:230721-99-481325/3