Berlin (dpa) - Wenn der Sänger und Entertainer Frank Zander in Berlin zur Weihnachtsfeier lädt, lassen sich seine Gäste nicht lange bitten. 3000 Menschen stehen in einer langen Schlange vor der Tür, manche kommen im Rollstuhl oder mit Rollator.
Bei vielen verraten die Gesichter, dass ihr Leben alles andere als einfach ist. Zanders Fest für Obdachlose und Bedürftige hat in der Hauptstadt längst Tradition - seit einem Vierteljahrhundert gibt es die Veranstaltung jetzt.
Engel stehen an der Tür Spalier, Weihnachtsmänner säumen den Weg. Doch Schlagerstar Zander (»Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein«, »Ich trink auf dein Wohl, Marie«) ist für viele Gäste ein Fixpunkt. Er schüttelt jedem die Hand. Es geht ihm um Respekt, Würde - und einen Nachmittag, an dem alles anders ist.
Für Menschen, die sonst kaum über die Runden kommen, biegen sich die Tische unter der Last der Geschenke. Sie können sich vorher kostenlos die Haare schneiden lassen. Schließlich sind die Hoteltische festlich eingedeckt - für ein Weihnachtsessen mit Gänsekeule, Rotkohl und Klößen.
»Ohne Frank Zander gäbe es heute noch kein Weihnachtsfest, ein anderer würde keinen Finger krumm machen«, ist ein 58-jähriger Gast überzeugt. Eine Stunde hat er angestanden, um für das Jubiläumsfest eines der begehrten Einlassbändchen zu bekommen, das soziale Einrichtungen beim Nachweis von Bedürftigkeit abgeben. Für viele Gäste ist es das Fest des Jahres - manchmal das einzige.
Eine 44 Jahre alte Hartz-IV-Empfängerin ist schon zum dritten Mal dabei. »Man wird hier überhaupt nicht behandelt wie jemand, der von unten kommt«, sagt sie. Geschenke seien ihr selbst nicht so wichtig. Sie nimmt lieber Futter für ihre Katze mit. »Es ist wie Weihnachten hier, weil man sonst alleine ist.« Sie freut sich auf die Bühnenshow. »Die Karten könnte man sich ja sonst nie leisten.« Es singt unter anderem Reinhard Mey - und natürlich der Gastgeber selbst.
An einem Geschenktisch verteilt eine Frau aus dem Erzgebirge Socken, Mützen und Jacken, die Menschen aus ganz Deutschland extra für diesen Tag gestrickt haben. Dann reihen sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie die Politiker Gregor Gysi (Linke) und Renate Künast (Grüne) mit Schürzen an der Durchreiche zur Küche ein.
Sie servieren zusammen mit anderen Prominenten wie Moderatorin Carmen Nebel das Festmahl. Einige Gäste möchten nun Selfies mit Promis. Der Moderator spricht vom größten Familienfest Europas.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine Videobotschaft geschickt. Sie würdigt die Zeichen der Mitmenschlichkeit, durch die bedürftige Menschen ihren grauen Alltag ein wenig vergessen könnten. Solche Initiativen machten Weihnachten zu dem Fest, das es sein solle: zu einem Fest der Nächstenliebe.
Die Merkel-Botschaft stößt bei den Gästen auf ein geteiltes Echo - manche buhen, manche klatschen. Am Donnerstag hatte schon Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Zanders Engagement in einem persönlichen Brief gelobt.
Möglich machen das Berliner Fest eine Vielzahl von Spendern, darunter auch Firmen und Supermärkte. An Geschenken gibt es neben Süßem auch Kinderspielzeug, Hygieneartikel und Tierfutter, dazu werden Schlafsäcke und warme Jacken verteilt.
Für viele Gäste ist es genau das, was sie brauchen. »Zum Jubiläum war die Spendenbereitschaft noch größer«, sagte Marcus Zander, Sohn des Schlagersängers, der das Fest jedes Jahr mit Hilfe sozialer Einrichtungen organisiert. Was zu viel sei, bekämen die Caritas und die Bahnhofsmission.