Pech, Kummer, Unglück - mit Freitag, dem 13., sind meist unschöne Assoziationen verknüpft. Sind - oder doch eher waren? Für Kulturwissenschaftler gerät dieser Aberglaube, der heute korrekt Volksglaube heißt, im Bewusstsein der Deutschen zunehmend in Vergessenheit. Grund dafür könnte eine Melange aus Säkularisierung, Digitalisierung und einer Gegenwart sein, die von Pandemie bis Krieg in Europa sehr reale Schrecken bereithält. Eine Phobie, also eine krankhafte Angst nur vor Freitag, dem 13., hat es als eigenständiges Krankheitsbild ohnehin nie gegeben.
Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg, forscht schon seit Jahrzehnten über Phänomene wie Freitag, dem 13. Im Jahr 2000 führten seine Studentinnen und Studenten dazu Tiefeninterviews im Rheinland. Immerhin rund ein Drittel der zufällig ausgewählten Befragten gab damals unumwunden zu, dass dieser Tag eine Bedeutung für sie habe.
Bedeutung von Glück und Unglück hat sich verändert
Ein ähnliches Ergebnis hält Hirschfelder heute für unwahrscheinlich. »Wir verhandeln Glück und Unglück nicht mehr so«, sagt er. Es glaubten auch nicht mehr so viele Menschen wie früher an übergeordnete Mächte. »Glück und Unglück bedeutet für viele Leute heute irgendwie, gesund zu sein oder bei Dating-Apps wie Parship und Tinder nicht weggewischt zu werden«, ergänzt der Wissenschaftler.
»Freitag, der 13., lebte davon, dass wir in der betulichen Zeit der alten Bundesrepublik oder auch in der DDR ins Büro gingen und erzählten, dass wir mit vereister Autoscheibe jemandem auf die Stoßstange gefahren sind«, so Hirschfelder. Damit habe Kommunikation angestoßen werden sollen. »Ähnlich wie bei einer Witzkultur.«
In der digitalen Welt aber, in der sich weniger Menschen persönlich in Büros träfen, habe sich solch eine niedrigschwellige Kommunikation fast überlebt. Sie lasse sich auch nicht posten. »Und für einen Facebook-Skandal reicht keine runtergefallene Sprudelflasche«, sagt Hirschfelder.
Bis zu fünfmal mehr Krankschreibungen
Gibt es das Phänomen, dass Menschen aus lauter Furcht vor Freitag, dem 13., im Bett bleiben und sich krankmelden? Nachfrage bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Ergebnis von früher: In den Jahren 2006 bis 2008 gab es drei- bis fünfmal mehr Krankschreibungen als an anderen Freitagen.
Und heute? Die KKH mit rund 1,6 Millionen Versicherten hat mit einer anderen Methode ihre Daten aus den Jahren 2019 bis 2022 gescannt. Das statistische Bild am vermeintlichen Unglückstag ist dabei ambivalent. Im ersten Coronajahr 2020 belegten die beiden Freitage, die auf einen 13. fielen, unter allen Freitagen jenes Jahres einen auffälligen Spitzenplatz bei der Zahl der Krankmeldungen. In den Jahren 2021 und 2022, in denen jeweils ein Freitag auf den 13. eines Monats fiel, lagen sie mit den Plätzen 29 und 27 recht weit hinten. Im Jahr 2019 - mit zwei 13er-Freitagen - ergab sich Platz 9. Phobien als Grund für die Krankschreibung waren allerdings in allen Jahren selten.
Die Angst hat einen Namen: Paraskavedekatriaphobie
Es gibt einen Zungenbrecher, der die Angst vor Freitag, dem 13., ans Griechische angelehnt beschreibt: Paraskavedekatriaphobie. Im internationalen Klassifikationssystem sei das jedoch keine anerkannte psychische Erkrankung, erläutert Christina Jochim, stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung in Berlin. »Das gibt es so nicht.«
Phobien sind für die Wissenschaft Symptombilder, die auf geprüften Daten beruhen. »Phobien können zum Beispiel Panikzustände auslösen, wenn man in die Nähe einer solchen Situation kommt. Also bestimmte Tiere sieht wie Spinnen oder Hunde. Wenn es ums Fliegen geht oder den Zahnarztbesuch«, ergänzt Jochim.
Freitag, der 13., falle eher in die Kategorie magisches Denken. »Denn diese Angst bezieht sich ja nicht auf eine spezifische Situation, sondern sie ist vorauseilend«, sagt die Psychotherapeutin. »Eine Art Angst vor der Angst.« Das allein sei sehr selten. »Wenn, dann entsteht es meist in einem Kontext mit einer generalisierten Angststörung.« Aus ihrer Sicht ist es allerdings keine gute Idee, am vermeintlichen Pechtag im Bett zu bleiben. »Alle Angststörungen haben gemeinsam, dass Vermeidung zu mehr Angst führt«, sagt sie.
Das sind die Hintergründe des Aberglaubens
Heute spielt der Tag nach Ansicht Jochims im allgemeinen Bewusstsein eine kleinere Rolle als früher. »Wenn die Angst vor Freitag, dem 13., seltener thematisiert wird, gibt es auch weniger Grund, Angst zu haben.«
Für Kulturwissenschaftler Hirschfelder ist der Volksglaube rund um Freitag, dem 13., in Deutschland überraschend jung. Zwar haben weder Freitage noch die Zahl 13 im christlichen Kulturkreis einen guten Ruf: Am Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt und die 13 ging über das vertraute System aus zwölf Aposteln, zwölf Stunden oder zwölf Monaten hinaus. Doch die Kombination aus beidem als Unglückstag ist für Hirschfelder erst seit den 1950er Jahren belegt - und vermutlich ein Kulturimport aus den USA. Denn dort wollten manche Buchautoren schon früher einen Zusammenhang mit Börsencrashs entdeckt haben.
»Das Risiko ist groß, dass dieser Tag weiter an Bedeutung verliert«, mutmaßt Hirschfelder. »Gerade in gefühlten Katastrophenzeiten hat er wenig Wirkmächtigkeit.« Der Bereich Aber- oder Volksglaube sei jedoch vermutlich nicht generell rückläufig. »Er manifestiert sich heute nur nicht mehr in einer bürgerlichen Mitte.« In einzelnen gesellschaftlichen Kontexten spiele er weiter eine Rolle. »Im migrantischen Milieu ist das noch überhaupt nicht untersucht.«
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