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Fahnenmast erschlägt Frau - Geldstrafe für Lkw-Fahrer

Ein umstürzender Fahnenmast erschlägt eine Auszubildende auf dem Kieler Rathausplatz. Zuvor war ein Bayer mit seinem Lastwagen rückwärts gegen den Mast gefahren. Nun fällt das Urteil gegen den 62-Jährigen.

Fahnenmast-Prozess
In Gedenken: Blumen liegen auf dem Platz vor dem Kieler Rathaus. Foto: Wolfgang Schmidt
In Gedenken: Blumen liegen auf dem Platz vor dem Kieler Rathaus.
Foto: Wolfgang Schmidt

Knapp 21 Monate nach dem Tod einer Auszubildenden durch einen umstürzenden Fahnenmast hat das Amtsgericht Kiel einen Lastwagenfahrer aus Bayern wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Das Gericht verhängte gegen den 62-Jährigen eine Geldstrafe in Höhe von 5400 Euro. Der Mann hatte den Mast mit seinem Fahrzeug angefahren. Mit dem Urteil folgte der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren gegen den 75 Jahre alten Beifahrer wurde gegen Geldauflage von 1200 Euro vorläufig eingestellt.

Richter Sebastian Schwarz sprach von einer Verkettung unglücklicher Umstände wie beispielsweise einem Materialfehler des Masts und dem Bestehen einer Baustelle, die den Fahrer zum Rückwärtsfahren zwang. »Zuvorderst haben wir aber einen Fahrfehler.« Der Angeklagte war die letzten Meter mit seinem Lkw rückwärts ohne Einweisung seines Beifahrers gefahren. Der Richter sprach von erheblicher Fahrlässigkeit. Unter den Folgen leide die gesamte Familie der getöteten, 23 Jahre alten Auszubildenden.

Für ein gemeinsames Foto

Die beiden Männer aus der Nähe von Bamberg in Franken hatten am 3. August 2020 Baumaterial für eine Sanierung der Rathausfassade geliefert. Der 62-Jährige fuhr rückwärts gegen den 14 Meter hohen Mast, wodurch dieser brach und die junge Frau erschlug. Sie erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen.

Die 23-Jährige und 50 andere neue Azubis der Stadt Kiel versammelten sich zum Zeitpunkt des Vorfalls gerade für ein gemeinsames Foto auf dem Rathausplatz. Das Unglück spielte sich innerhalb von ein bis zwei Sekunden ab, wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer schilderte. »Ein Zeitfenster, das der Frau keine Chance gegeben hat.«

Die Mutter des Opfers verfolgte den Prozess als Nebenklägerin. »Der Tag fing schön an, unsere Tochter war glücklich und sollte endlich durchstarten in ihrem Leben«, schilderte sie unter Tränen. Jetzt gebe es für ihre Familie nur Probleme. »Ich denke jeden Tag an meine Tochter.« Sie habe in der Folge einen stillen Herzinfarkt erlitten.

Die Entschuldigung des Fahrers vom Vortag könne sie nicht annehmen, weil diese zu spät erfolgt sei. In seinem letzten Wort hatte der Mann noch einmal beteuert: »Ich kann mich nur noch entschuldigen.«

Geständnisse und Verständigung

Dem Urteil war eine Verständigung im Falle des Lkw-Fahrers vorausgegangen. Nach Auffassung des Richters wäre eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts ohne die umfassenden Geständnisse der Angeklagten nicht möglich gewesen. In dem Prozess sagten unter anderem ein Auszubildender und Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) als Zeugen aus.

Die Staatsanwältin sprach von einer erheblichen Pflichtverletzung, weil der Lkw-Fahrer das letzte Stück ohne Einweiser zurücksetzte. Der festgestellte Materialfehler des Fahnenmastes wiege diese Schuld nicht auf. Ebenso wie der Richter wertete sie das umfassende und glaubhafte Geständnis des Mannes zu seinen Gunsten. Er habe sich der Situation gestellt und sich entschuldigt. »Das war aufrichtig.« Der Vertreter der Nebenklägerin hielt auch 100 statt der letztlich verhängten 90 Tagessätze je 60 Euro für vertretbar, schloss sich aber dem Antrag der Staatsanwaltschaft an.

Der Verteidiger forderte eine Strafe im unteren bis mittleren Rahmen der in der Verständigung vereinbarten 70 bis 100 Tagessätze. Sein Mandant könne als Familienvater durchaus im Ansatz nachvollziehen, welchen Schaden er verursacht habe. Der Angeklagte rang während der Plädoyers mit den Tränen. 

Nach dem Urteil sagte sein Anwalt, sein Mandant werde das Ergebnis akzeptieren. Gegen den Spruch können binnen einer Woche Rechtsmittel eingelegt werden. Gegen den Hersteller des Fahnenmastes wird wegen einer möglichen Mitschuld ermittelt.

© dpa-infocom, dpa:220427-99-61562/4