Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch mehr Lichterglanz: Nach den Ausfällen während der Corona-Pandemie ist die Weihnachtsmarktsaison erneut in Gefahr. Wegen der angespannten Lage an den Energiemärkten und der steigenden Preise droht in deutschen Kommunen eine Weihnachtszeit mit weniger Beleuchtung und Freizeitspaß als in früheren Jahren - es wird ein fahleres Fest, auch wenn keine großen Absagen in berühmten Weihnachtsstädten wie Dresden, Nürnberg, Heidelberg, Münster, Aachen oder Frankfurt am Main anzustehen scheinen.
Schlittschuhbahnen in einigen Städten gestrichen
Während drei Monate vor Heiligabend in den Supermärkten schon längst wieder Lebkuchen und Spekulatius stehen, kündigen viele Städte an, weniger Weihnachtsbeleuchtung aufzubauen, sie seltener anzuschalten oder Öffnungszeiten zu verringern. Auch Eisbahnen und andere energieintensive Attraktionen stehen zur Disposition oder sind schon gestrichen - von Flensburg im Norden bis Berchtesgaden im Süden.
Schlittschuhbahnen gibt es mit Verweis auf den Energieverbrauch zum Beispiel auch nicht in Nürnberg, Weimar und Erfurt. In Köln heißt es zur Begründung, am Ebertplatz keine Eisbahn anzubieten: Das sei angesichts der Energiekrise in der Saison 2022/23 »nicht vertretbar«.
Nach den Einschränkungen wegen Corona wird die Republik jetzt schon zum dritten Mal in Folge keine normale Adventszeit erleben.
In Stuttgart sollen die mit Ökostrom betriebenen Lichterketten nur noch 240 statt 450 Stunden an Tannenbäumen leuchten, wie die Stadt mitteilt. Das Rathaus selbst verzichtet sogar ganz auf Beleuchtung und den Adventskalender in den Fenstern.
Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund betont, es komme in der Energiekrise auf Gegebenheiten vor Ort an. »Eine pauschale bundesweite Regelung wäre wenig sinnvoll.« Weihnachtsmärkte seien Lebensqualität und auch Wirtschaftsfaktor. Wenn es schon effiziente LED-Beleuchtung gebe, seien Einsparpotenziale gering.
Jena setzt auf LED-Technik
Das sieht man zum Beispiel in Jena genau so, wie der Leiter des Veranstaltungsbereichs bei Jenakultur sagt. Man habe längst auf LED-Technik umgestellt, die Beleuchtung sei bereits in der Vergangenheit nachts abgeschaltet worden. Auch Heizpilze seien schon länger vom Markt verbannt. »Lediglich Maßnahmen wie das komplette Ausschalten der Weihnachtsbeleuchtung oder das Verbot von Glühwein wären noch möglich«, sagte Daniel Illing. »Dies würde dann aber einer Absage des Weihnachtsmarktes sehr nahekommen.«
Der Sprecher der Stadt Bamberg sagt, es könne »keine Beleuchtung wie in den vergangenen Jahren geben«. Im Gegenzug denkt Bamberg darüber nach, mehr Tannenbäume aufzustellen. Regensburg prüft, ob die Beleuchtung an den Adventsabenden früher abgestellt wird. In der Erzgebirgsstadt Annaberg-Buchholz soll der große Baum dieses Jahr nur während der Öffnungszeiten des Weihnachtsmarktes leuchten. Allerdings sei das meiste eh schon LED. Auch das nahe gelegene Aue-Bad Schlema hat nach Angaben einer Sprecherin »Stromfressern bei der Weihnachtsbeleuchtung schon lange den Garaus gemacht«.
Nürnberg betont, dass der Christkindlesmarkt seit fast zehn Jahren mit 100 Prozent Ökostrom laufe, der Energieverbrauch der Beleuchtung sei mit LED-Lampen auf ein Minimum reduziert.
Auch der Markt am Münchner Marienplatz arbeitet laut Stadt nur mit LED-Beleuchtung. Er habe »große touristische Bedeutung und stützt ein von den Corona-Lockdowns ohnehin stark betroffenes Gewerbe«, sagt der Sprecher des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München.
Beim Essener Weihnachtsmarkt soll gut 20 Prozent weniger Strom verbraucht werden. Laut Essen Marketing GmbH wird die Beleuchtung der Marktstände deutlich später eingeschaltet als in den Vorjahren. In Mainz will man den mit der Landesregierung abgestimmten Beschluss umsetzen, 15 Prozent weniger Energie zu verbrauchen.
Adventsbeleuchtungen am Kurfürstendamm in Gefahr
In Berlin sind die großen Adventsbeleuchtungen an Einkaufsstraßen wie dem Kurfürstendamm in Gefahr. Der Senat entschied, diese Beleuchtungen nicht mitzufinanzieren. Die Landesregierung rief dazu auf, »nennenswerte Einsparungen« zu erreichen.
Mit Blick auf Ku'damm und Tauentzienstraße, an der das KaDeWe steht, kritisiert die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kirstin Bauch (Grüne), dort seien die Weihnachtslichter wichtig für den Tourismus - und deshalb eigentlich Landes- und keine Bezirksangelegenheit. Man wolle nun Sponsoren finden, um wenigstens eine »Grundbeleuchtung« sicherzustellen. Ähnliches teilt der Bezirk Mitte zum Boulevard Unter den Linden und der Friedrichstraße mit.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer meint dagegen: »Die Fokussierung der Diskussion auf die Weihnachtsbeleuchtung ist reine Symbolik und verdeckt Tatenlosigkeit bei den großen Verbrauchern.« Doch auch in der schwäbischen Uni-Stadt soll Strom gespart werden. Laut Stadt fällt die »große« Weihnachtsbeleuchtung an Dachgiebeln und mit beleuchteten Kugeln in den Bäumen aus.
In Lübeck entwickeln Marktbetreiber und Kommune ein Maßnahmenpaket: »Hierzu zählen unter anderem der Verzicht auf die Beheizung von Außengastronomie im Bereich der Weihnachtsmarktflächen.« Die Weihnachtsbeleuchtung werde um Mitternacht abgeschaltet. In Kiel sagt eine Sprecherin, es kämen weniger Händler, die Märkte würden kleiner. »Die gestiegenen Energiepreise und die höheren Lohnkosten werden auch dazu führen, dass es auf den Weihnachtsmärkten teurer wird.«
Das oberbayerische Peiting setzt bei seinem zentralen Christbaum auf eine Photovoltaikanlage samt Batterie für die Beleuchtung. Bürgermeister Peter Ostenrieder (CSU) sagt: »Egal was auf dem Strommarkt passiert, unser Weihnachtsbaum leuchtet autark.«
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