BERLIN. Man kennt sie aus dem »Tatort« oder der Erfolgs-Serie »Babylon Berlin«: Dutzende prominente Schauspielerinnen und Schauspieler haben in einer koordinierten Aktion die Corona-Politik der Bundesregierung kritisiert.
Unter dem Hashtag #allesdichtmachen verbreiteten Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller oder Jan Josef Liefers am Donnerstag bei Instagram und auf der Videoplattform Youtube gleichzeitig ironisch-satirische Clips mit persönlichen Statements.
Neben einigem Lob für die Kampagne hagelte es auch umgehend Kritik von Schauspielkollegen. Christian Ulmen etwa postete auf Instagram lediglich den Satz: »Heute bisschen für Kollegen schämen.« Elyas M'Barek schrieb: »Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.« Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren. Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragte: »Das kann doch nicht Dein Ernst sein.« Nora Tschirner warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor.
Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, »wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat«, sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel »Station 43 – Sterben«. Dazu stellte er den Hashtag #allenichtganzdicht und einen weinenden Smiley. »Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben«, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist.
Unterdessen distanzierten sich nach der heftigen Kritik die Schauspielerin Meret Becker (»Tatort«) und ihr Kollege Ken Duken (»Traumfabrik«) von der Aktion. Kunst müsse Fragen stellen können, sagte Becker am Freitag in einem Beitrag bei Instagram. »Aber diese Aktion ist nach hinten losgegangen.« Sie werde das Video runternehmen lassen. »Und ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.«
Schauspieler Ken Duken schrieb bei Instagram, er distanziere sich von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien. Die Gefahr, die von der Corona-Pandemie ausgehe, sei ihm mehr als bewusst. Er habe sich auch nicht über die Opfer oder ihre Angehörigen lustig machen wollen. »Ich befürworte sinnvolle Maßnahmen und eine Impfstrategie. Diese Aktion ist gründlich in die Hose gegangen. Ich entschuldige mich für jegliche Missverständnisse.«
In den sozialen Medien stieß die Aktion teilweise auch auf Zustimmung: Beifall gab es etwa vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der die Aktion auf Twitter »großartig« nannte. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem »Meisterwerk«, das »uns sehr nachdenklich machen« sollte. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: »Das ist intelligenter Protest.« Sie feiere Jan Josef Liefers.
Der äußerte sich wiederum in einem Tweet: »Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück«, schrieb der 56-Jährige auf Twitter. »Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt.«
In den Videos thematisierten die Schauspieler verschiedene Aspekte des Kampfs gegen die Pandemie: Liefers bedankt sich in seinem Clip etwa mit ironischem Unterton »bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.«
Richy Müller atmet in seinem Clip abwechselnd in zwei Tüten und kommentiert ironisch: »Wenn jeder die Zwei-Tüten-Atmung benutzen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr. Also bleiben Sie gesund und unterstützen Sie die Corona-Maßnahmen. Ich geh jetzt mal Luft holen.«
Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa
15.000 bis 20.000 Schauspieler.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat derweil den Initiatoren ein Gesprächsangebot gemacht. Er könne sich gut vorstellen, das Gespräch miteinander zu führen, sagte Spahn. »Dass es Kritik und Fragen gibt an den Maßnahmen und den Hintergründen, das finde ich nicht nur normal, das finde ich in einer freiheitlichen Demokratie wünschenswert.« (dpa)