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Ex-Papst Benedikt irritiert mit Zölibat-Plädoyer

Was für ein Timing: Ex-Papst Benedikt wollte eigentlich zurückgezogen im Vatikan leben. Doch immer wieder sorgt er mit Wortmeldungen für Aufsehen. Jetzt äußert er sich zu einem umstrittenen Thema - und zu einem besonders heiklen Zeitpunkt.

Franziskus und Ex-Papst Benedikt
Papst Franziskus (l) und der emeritierte Papst Benedikt XVI im Kloster »Mater Ecclesiae« in Rom. Foto: -
Papst Franziskus (l) und der emeritierte Papst Benedikt XVI im Kloster »Mater Ecclesiae« in Rom.
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Rom (dpa) - Der emeritierte Papst Benedikt hat sich aus dem Ruhestand zu einem der heikelsten Themen in der katholischen Kirche zu Wort gemeldet und sich gegen eine Aufweichung des Zölibats ausgesprochen.

In einem Buch spricht er gemeinsam mit dem konservativen Kardinal Robert Sarah von einer »dunklen Zeit«, die das Priestertum durchschreite, wie der Verlag Ignatius Press mitteilte.

Mit der Veröffentlichung bringt Benedikt seinen Nachfolger Franziskus in die Bredouille. Denn der hatte auf einer Bischofssynode zumindest eine Diskussion über die Ehelosigkeit von Priestern angestoßen und will dazu in Kürze in einem Schreiben Stellung beziehen.

»In der Tat können wir (...) sagen: Silere non possum! Ich kann nicht schweigen!«, heißt es in dem Buch, aus dem die französische Zeitung »Le Figaro« vorab einen Auszug veröffentlichte. »Ich glaube, dass der Zölibat eine große Bedeutung hat«, schreibt der 92-jährige Benedikt weiter. »Der Zölibat wird sogar zur Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Annäherung an Gott die Grundlage unseres Lebens bleibt.« Das Buch »Des profondeurs de nos coeurs« (übersetzt: »Aus den Tiefen unserer Herzen«) soll am Mittwoch zuerst in Frankreich erscheinen - am 20. Januar auf Englisch.

Benedikt war im Februar vor sieben Jahren zurückgetreten. Damals versprach er uneingeschränkte Zurückhaltung und Loyalität zu seinem Nachfolger. Seit dem historischen Rückzug lebt der gebürtige Bayer mit dem Titel »Papa emeritus« zusammen mit seinem Privatsekretär Georg Gänswein zurückgezogen in einem Kloster hinter Vatikanmauern.

Doch immer wieder dringt sein Wort nach draußen - und sorgt für Irritationen. So schrieb er zum Beispiel just nach Franziskus' Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan im vergangenen Jahr, dass die 68er-Revolution einer der Auslöser für Pädophilie war. Weil ihm immer wieder vorgeworfen wurde, eine Art konservativer »Gegenpapst« oder »Schattenpapst« zu sein, sah sich Benedikt letztes Jahr genötigt zu betonen: »Es gibt nur einen Papst, Franziskus.«

Die jetzige Veröffentlichung lässt solche Aussagen allerdings seltsam erscheinen. Sie habe eine »andere Qualität«, sagte der Publizist und Kirchenexperte Andreas Püttmann. »Ich würde sogar von Grenzüberschreitung sprechen.« »Hier geht es um den Versuch, etwas effektiv zu verhindern, was die Zukunft der Kirche betrifft.«

Das Thema Zölibat ist eines der heißesten Eisen der katholischen Kirche. Auch in Deutschland fordern viele Kritiker die Abschaffung, um den Priestermangel zu lindern. Die letzte Bischofssynode im Herbst im Vatikan beschäftigte sich mit der Frage, ob Priester in Ausnahmefällen in der Amazonas-Region verheiratet sein können. Dafür hatte sich die Mehrzahl der Teilnehmer ausgesprochen. Allerdings nur auf die lateinamerikanische Regenwaldregion bezogen, um dort den extremen Priestermangel zu bekämpfen. Kritiker sahen das aber als Einfallstor, den Zölibat ganz abzuschaffen.

Franziskus hat das immer wieder vehement zurückgewiesen. Papstsprecher Matteo Bruni betonte am Montag, dass Franziskus Position dazu klar sei und er den Zölibat »als Geschenk für die Kirche« ansehe - allerdings habe er auch von Ausnahmen in »abgelegenen Orten« geredet. Von Abschaffung also keine Rede. Gegner streuten allerdings konkret die Sorge, dass das Ende drohe.

Der Pontifex will nun in Kürze ein postsynodales Schreiben zu dem Bischofstreffen veröffentlichen. Alle Augen sind darauf gerichtet, wie er sich zum Thema Zölibat äußert. Umso bemerkenswerter, dass der alte Papst dem aktuellen Papst nun zuvorkommt - als wolle er Einfluss auf die Entscheidung seines Nachfolgers nehmen. Unklar ist, ob Franziskus von Benedikts Schreiben wusste und es gutgeheißen hat. Der Vatikan äußerte sich dazu am Montag nicht, auch Gänswein nicht.

Der Fall lege nahe, dass Benedikt »in seiner Schwäche instrumentalisiert wird«, sagte Kirchenkenner Püttmann. Das betreffe konservative Kreise, die sich seinen Namen und seine »moralische Autorität« zunutze machten. Benedikt ist mit seinen 92 Jahren nach Aussagen Gänsweins zwar geistig noch fit. Körperlich baut er aber zunehmend ab. Es ist fraglich, ob er noch selbst Bücher schreibt.

Der Theologe Massimo Faggioli von der US-Universität Villanova spricht von einem unglaublichen Vorgang. »Benedikt XVI. belehrt seinen Nachfolger (...), wie man Papst zu sein hat.« Das Konzept eines »emeritierten Papstes« funktioniere nicht. Für die Situation bräuchte es eine klare Regelung, damit nicht ein Lager dem Ex-Papst und eines dem aktuellen Papst anhänge.

Auch für die Kirche in Deutschland sind Benedikts Äußerungen problematisch. Erst im Dezember hat der sogenannte synodale Weg begonnen: ein Reformvorhaben, mit dem sich die Kirche dem konstanten Mitgliederschwund entgegenstellen will. Eines der zentralen Diskussionsthemen ist dabei die Ehelosigkeit von Priestern. Konservative Kirchenmänner in Deutschland sehen allerdings den gesamten Prozess skeptisch. Benedikts Äußerungen könnten die Spaltung innerhalb der Kirche nun weiter vorantreiben.

Die Reformbewegung »Wir sind Kirche« nannte seine Worte zum Zölibat »ungeheuerlich«. Joseph Ratzinger habe nach seinem Rücktritt gesagt, »dass er schweigen und sich nicht mehr in die Kirchenpolitik einmischen will«, sagte Sprecher Christian Weisner. Jetzt tue er sich mit einem dezidierten Franziskus-Kritiker zusammen. »Das ist eine Kirchenspaltung, zu der er ganz entschieden und in ganz unverantwortlicher Weise beiträgt«, sagte er und rief die Bischöfe auf, zu sagen: »Lieber Joseph Ratzinger, jetzt ist es mal genug.«

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Mitteilung Verlag Ignatius Press

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