LOS ANGELES. Barbie mit Kopftuch. Barbie mit Afro. Barbie im Rollstuhl. Dazu Barbie als kurvige oder kleinere Frau und Barbie als Asiatin, Afrikanerin oder Lateinamerikanerin.
Von ihrem Image als westliche Blondine mit ausschließlich langen Beinen, Wespentaille und prallem Busen hat sich die wohl berühmteste Puppe der Welt, die am 9. März ihren 60. Geburtstag feiert, verabschiedet. Beendet ist die Debatte darüber, wie Barbie auszusehen und welche Rollenmuster sie Mädchen und Jungs weltweit zu vermitteln hat, noch lange nicht.
Mit neuen Barbie-Designs bemüht sich Spielzeughersteller Mattel, die bisher zu wenig vertretenen Frauentypen, Körperformen und Kleidungsstile besser zu berücksichtigen. Nicht selten werden die gut gemeinten Ankündigungen von der Kritik begleitet, dass ein Modell zu spät auf den Markt komme oder sich noch zu sehr nach veralteten Schönheitsidealen richte. Der unmögliche Versuch, alle Menschentypen dieser Welt als Spielzeuge nachzubauen, ist ein ständiges Ringen um die Frage, wie realistisch eine Puppe eigentlich auszusehen hat.
So war es zuletzt Anfang Februar, als Mattel eine Barbie im Rollstuhl sowie eine Puppe mit abnehmbarer Bein-Prothese ankündigte - 60 Jahre zu spät, wie das Magazin »Forbes« urteilte. 1997 gab es vorübergehend zwar Barbies Freundin Becky mit rosafarbenem Rollstuhl, allein in den ersten zwei Wochen wurden in den USA Berichten zufolge 6000 Stück verkauft. Aber der Rollstuhl passte nicht durch die Eingangstür im Barbie-Puppenhaus und auch nicht in den Aufzug. Irgendwann wurde die Becky-Produktion wieder gestoppt. Die Rollstuhl-Barbie war an den Hürden einer nicht-barrierefreien Barbie-Welt gescheitert.
Die Modernisierung mag auch deshalb nur schrittweise vorangekommen sein, weil Mattel den über Jahrzehnte gewachsenen Bekanntheitsgrad der Puppe dabei teils aufgeben und neu erarbeiten muss. »Wenn die Menschen die Augen schließen und an Barbie denken, sehen sie einen bestimmten Körper. Wenn dieser Körper sich ändert, könnte Barbie an Status verlieren«, schrieb das »Time«-Magazin 2016. »Schlimmer noch: Einige Kunden mögen die neue Version vielleicht nicht.«
Insgesamt hat die Puppe einen beeindruckenden Wandel hingelegt, seit die Mattel-Gründer Ruth und Elliot Handler sie 1959 auf der Spielwarenmesse in New York vorstellten. Vom Haarzopf à la Audrey Hepburn in den 1950er Jahren ging es über die sonnengebräunte »Malibu Barbie« der 70er zur emanzipierten Barbie der 80er und 90er, die als Ärztin, Astronautin, Feuerwehrfrau oder Managerin arbeitete. 1992 kam die Barbie-Präsidentschaftskandidatin auf den Markt - es sollte noch 24 Jahre dauern, bis Hillary Clinton in den USA gegen Donald Trump antrat.
Mit dem gefühlt wachsenden Interesse für Klatsch-Nachrichten wurde nach der Jahrtausendwende auch Barbies Liebesleben ein Thema. Hatte Plastik-Boy Ken seit 1961 an Barbies Seite gestanden, gab Mattel 2004 die Trennung der beiden bekannt, nur um das Traumpaar 2011 wieder zusammenzuführen. Mit Blick auf Garderobe, Accessoires und Frisuren sind einige Barbies durchaus noch Teil des internationalen Jetsets, andere sind - wie im wahren Leben - Künstlerinnen, Sportlerinnen oder Ingenieurinnen für Robotertechnik.
Obwohl Barbie lange als sexistisch galt, dürften ausgerechnet selbstbewusst-feministische Stars wie Sängerin Beyoncé, Schauspielerin Lena Dunham und #MeToo-Initiatorin Tarana Burke dem Hersteller in die Karten gespielt und die Verkäufe angekurbelt haben. Zum Jahreswechsel verhalfen starke Barbie-Verkäufe im Weihnachtsgeschäft dem angeschlagenen Branchenriesen wieder zu schwarzen Zahlen. Zuvor hatten ihr vor allem die »Bratz« und »Moxie Girlz« vom Hersteller MGA Konkurrenz gemacht, zeitweise tobte der Puppenkrieg sogar Gericht.
Mattel feilt mit den »Career Dolls« (Karriere-Puppen) weiter am Image der Puppe, die mit vollem Namen übrigens Barbara Millicent Roberts heißt. Unter den Heldinnen ist eine Puppe der Säbelfechterin Ibtihaj Muhammad mit muslimischem Hidschab, von Filmemacherin Patty Jenkins und Flugpionierin Amelia Earhart. Auch eine Maori-Puppe mit Aussehen einer neuseeländischen Ureinwohnerin gibt es, Vorbild ist die Sport-Moderatorin und ehemalige Rugby-Spielerin Melodie Robinson.
Bei der feministischen Ikone Frida Kahlo ging der Schuss nach hinten los: Mattel hielt zu sehr an klassischen Schönheitsidealen fest. Die Kahlo-Puppe ähnelt dann auch der mexikanischen Malerin - Markenzeichen waren ihr Damenbart und ihre zusammengewachsenen Augenbrauen - nur entfernt.
Vollständig sein wird die »Barbie«-Kollektion wohl nie. Heute fehlen aus Sicht von Kritikern etwa eine Transgender-Barbie und ein schwules Paar. Matt Jacobi und Nick Caprio aus Arizona legten im Dezember deshalb selbst Hand an: Sie kauften das rosafarbene Hochzeits-Set, nahmen die Barbie aus der Box und setzten einen zweiten Ken hinein. (dpa)