Der Fels in der Brandung, der treue Begleiter - er fehlt der Queen. An diesem Samstag (9. April) ist es ein Jahr her, dass Prinz Philip kurz vor seinem 100. Geburtstag starb.
Doch für Königin Elizabeth II. war es eine schwierige Zeit ohne den Herzog von Edinburgh, mit dem sie 73 Jahre lang verheiratet war. Prinz Philip diente ihr stets als »Stärke und Stütze«, wie der britische Premierminister Boris Johnson sagte. Ohne den Mann ihres Lebens an der Seite werden die Briten gewahr, wie gebrechlich ihre auch schon knapp 96 Jahre alte Königin selbst mittlerweile ist.
Wie geht es der Queen?
Immer wieder diskutiert das Land den Gesundheitszustand des Staatsoberhaupts. Wiederholt sagte Elizabeth Termine ab, sie nutzt mittlerweile eine Gehhilfe, im Oktober verbrachte sie eine Nacht - vorbeugend, hieß es - in einer Privatklinik. Fünfeinhalb Monate lang zeigte sich die Queen nicht in der Öffentlichkeit, bis sie Ende März zum Gedenkgottesdienst für Philip in die Westminster Abbey kam.
Doch spätestens seit diesem denkwürdigen Auftritt geht es weniger um ihre Gesundheit. Vielmehr herrscht nach Einschätzung von Palastbeobachtern dicke Luft innerhalb der Royal Family - und das liege an der Queen. Zum Gottesdienst ließ sich die Monarchin nämlich demonstrativ von ihrem zweitältesten Sohn Prinz Andrew durch die Kirche geleiten. Der 62-Jährige gilt zwar seit langem als ihr »Lieblingssohn«, aber eben auch als schwarzes Schaf der Familie.
Jüngst wendete Andrew einen Prozess in den USA wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen vor gut 20 Jahren mit großem finanziellen Einsatz ab. Für die außergerichtliche Einigung zahlte er britischen Medien zufolge rund 12 Millionen Pfund (14,4 Mio Euro) Schadenersatz.
Unter Beobachtung der Presse
Andrew ist am Ende, war die einhellige Meinung. Zuletzt hatte er sich zur Beisetzung seines Vaters vor einem Jahr gezeigt, stand eingereiht zwischen der engsten Familie. Doch diese Nebenrolle ist vorbei: Dank seiner Mutter könne Andrew nun doch auf eine Rückkehr in die Öffentlichkeit hoffen, hieß es in der Boulevardpresse.
»Es war eine aktive Entscheidung, ihm eine solche Rolle zuzuweisen«, sagte der ehemalige Royals-Reporter der BBC, Peter Hunt, über die Queen. Der »Daily Mirror« berichtete, die »trotzige« Königin habe ihren Sohn Prinz Charles, immerhin Thronfolger, und ihren Enkel William, ebenfalls ein künftiger König, überstimmt. Mit ihrer Entscheidung zeige die Queen, dass es noch immer sie sei, die Entscheidungen treffe, betonte die Royals-Expertin Katie Nicholl.
Erwartet wird nun sogar, dass Andrew sich spätestens zu den Feierlichkeiten zum 70. Thronjubiläum der Queen Anfang Juni wieder zeigt. Doch wegen seiner »Begnadigung« soll es hinter den königlichen Türen hoch hergehen. Sowohl Charles als auch dessen Sohn William seien alles andere als »amused« gewesen über die Rolle des 62-Jährigen auf der Gedenkfeier, heißt es in London. »Es versteht sich von selbst, dass der größte Teil der Familie absolut bestürzt war«, zitierte der »Mirror« einen Palastinsider.
Die Karten werden neu gemischt
Andrews Vorteil: Er wohnt seit langem auf dem Gelände von Schloss Windsor - als einziges enges Familienmitglied der Queen. Doch was die Familie während der Corona-Pandemie noch guthieß, wird nun kritisch gesehen. Schließlich hat Andrew dadurch viele Gelegenheiten, seine Mutter zu treffen, wie Royals-Experten betonen.
Auch deshalb bildet sich familieninterner Widerstand, wie die »Sun« berichtete. Enkel William plane mit seiner Familie für den Sommer den Umzug nach Windsor. Damit wolle er Andrew einhegen und näher bei seiner Großmutter sein. Ein Jahr nach Philips Tod werden die Karten in der »Firma«, wie die Royal Family halb spöttisch, halb bewundernd oft genannt wird, neu gemischt. Der Grund: Andrew. »Es gibt reale Ängste, dass er seine Nähe zur Queen als Sprungbrett zurück ins öffentliche Leben nutzt, obwohl ihn die Firma im Januar verbannt hat«, zitierte die »Sun« eine Palastquelle.
Doch Andrew ist nicht das einzige Problem für die königliche Familie. »Möglicherweise von größerer Bedeutung für die Royals war das Nichterscheinen von Prinz Harry«, kommentierte der »Guardian«. Der Queen-Enkel lebt mit seiner Familie längst in den USA und hat seine royalen Pflichten abgegeben. In seine Heimat reist Harry selten, auch weil er sich mit der britischen Regierung über Personenschutz streitet. Prinz Philip habe ihm zur Seite gestanden, als dessen Mutter Prinzessin Diana starb. Da war Harry noch ein Kind. Nun aber, längst erwachsen geworden, fehlte der Enkel. »Solche Dinge werden im Palast bemerkt worden sein«, schrieb der »Guardian«.
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