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Dutzende Beamte seit Everard-Mord verurteilt

Der Mord an Sarah Everard sorgte für Entsetzen. Ein aktiver Polizist hatte die Londonerin entführt, vergewaltigt und ermordet. Daten zeigen, dass die Tat wohl nur die Spitze eines Eisbergs war.

Demo in London
Demonstration in London, zu der die feministische Aktionsgruppe »Sisters Uncut« aufgerufen hat. Foto: Lucy North/DPA
Demonstration in London, zu der die feministische Aktionsgruppe »Sisters Uncut« aufgerufen hat.
Foto: Lucy North/DPA

Seit dem Mord an der Londonerin Sarah Everard durch einen aktiven Polizisten vor genau drei Jahren sind Dutzende britische Beamte wegen Sexualstraftaten verurteilt worden. Die tatsächliche Zahl liege vermutlich viel höher, berichtete der Sender Sky News am Sonntag. Die meisten Polizeien im Land inklusive der Londoner Metropolitan Police, bei der Everards Mörder gearbeitet hatte, hätten keine Daten zur Verfügung gestellt. 

Verurteilt wurden die Beamten unter anderem wegen Vergewaltigung, sexueller Belästigung, Kindesmissbrauchs oder des Besitzes von Kinderpornografie. Außerdem gab es Fälle wegen Körperverletzung oder Betrug. Sky News hatte Informationsfreiheitsanfragen - »Freedom of Information Requests«, mit denen öffentlich nicht einsehbare Informationen angefordert werden können - an alle Polizeidirektionen in Großbritannien geschickt. Daten von 19 der mehr als 40 Stellen ergaben, dass seit dem Mord an Everard mindestens 119 Beamte verurteilt wurden, die meisten davon Männer.

Ein Polizist hatte Sarah Everard am 3. März 2021 mithilfe seines Dienstausweises entführt, vergewaltigt und ermordet. Er wurde deshalb zu lebenslanger Haft verurteilt und wird voraussichtlich nie mehr auf freien Fuß kommen. Die Tat hatte landesweit eine Welle der Wut über fehlende Sicherheit von Frauen ausgelöst und ein Licht auf die »Epidemie« der Gewalt gegen Frauen und Mädchen geworfen. Eine unabhängige Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass der Mörder nie hätte eingestellt werden dürfen. Wichtige Warnsignale bei polizeilichen Überprüfungen und Ermittlungen seien wiederholt ignoriert worden. Dazu hätten eine Vorliebe für extreme und gewalttätige Pornografie gehört.

Viel hat sich seit dem Fall nicht geändert

Aktivistinnen warfen der britischen Regierung zum Jahrestag vor, sie habe beim Schutz von Frauen versagt. Seit dem Mord an Everard seien Männer als Täter oder dringend Tatverdächtige für den Tod von 350 Frauen im Land verantwortlich, berichtete die Zeitung »Independent« am Samstag unter Berufung auf die Datenbank Femicide Census. »Im Durchschnitt wird alle drei Tage eine Frau von einem Mann getötet«, sagte die Chefin der Initiative, Karen Ingala Smith. 

In 8 Prozent der Fälle kannten sich demnach Täter und Opfer  - wie im Fall Everard - vorher nicht. Dieser Anteil entspreche dem Durchschnitt seit Beginn der Aufzeichnungen 2009. Es habe sich also nichts geändert, kritisierte Ingala Smith. Zu den herausragenden Taten gehörten die Verurteilung eines Serienvergewaltigers, der in seiner Zeit als aktiver Polizist fast 20 Jahre lang mehrere Frauen missbraucht und gedemütigt hatte.

Die Mitgründerin der Organisation Reclaim These Streets, Anna Birley, sagte dem »Independent«: »Frauen werden noch immer von Männern ermordet, die Nachfrage nach Hilfsdiensten gegen häusliche Gewalt bleibt auf Rekordniveau, und Vergewaltigungen werden immer noch nicht strafrechtlich verfolgt.« Die Regierung verstehe nicht das Ausmaß und ergreife keine sinnvollen Schutzmaßnahmen, sagte Birley. Dadurch lasse sie die Frauen im Stich.

© dpa-infocom, dpa:240303-99-202243/3