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Die Show und das Feuer - Das neue RTL-Dschungelcamp startet

Wenn das RTL-Dschungelcamp startet, geht das nicht ohne Brimborium. Diesmal aber hat die Diskussion einen ernsten Hintergrund. Darf man über Känguru-Hoden debattieren, während Australien brennt?

Moderatoren
Chronisch gut gelaunt: Sonja Zietlow und Daniel Hartwig, Moderatoren der RTL-Show »Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!«. Foto: Marius Becker/dpa
Chronisch gut gelaunt: Sonja Zietlow und Daniel Hartwig, Moderatoren der RTL-Show »Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!«. Foto: Marius Becker/dpa

Berlin/Brisbane (dpa) - Hunderte Kilometer entfernt wüten die Flammen. Sie zerstören hektarweise einzigartige Natur, töten Tausende Kängurus, Koalas und kosten auch Menschen ihre Existenz, manche sogar das Leben.

Und geschützt im grünen Dschungel sitzen derweil zwölf Deutschland-Exporte, die sich vor laufenden Kameras Gedanken darüber machen, ob sie die Känguru-Hoden nun essen sollen oder nicht. Kurz vor dem Start der alle Jahre wiederkehrenden RTL-Show »Ich bin ein Star - Holt mich hier raus« (IBES) gerät das Dschungelcamp wegen der verheerenden Buschbrände in Australien ins mediale Kreuzfeuer.

Der SPD-Bundestagspolitiker Karl Lauterbach appellierte via »Bild«-Zeitung an RTL, das Camp in diesem Jahr abzublasen und sagte: »Das Ganze erinnert an den Tanz auf dem Vulkan.« Wie Lauterbach sehen das noch einige andere Politiker - und auch ehemalige und sogar aktuelle Dschungelcamper. Die Schauspielerin Ingrid van Bergen (88), Dschungelkönigin von 2009, sagte der »Bild«: »In die absolute Katastrophe passt jetzt keine solche Spaßsendung.«

Schauspieler Raul Richter (früher »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«) meldete sich kurz vor seinem Einzug ins Camp aus Brisbane. »Mir zerreißt es das Herz«, sagte er auf Instagram, wo er auch schrieb, es sei »tatsächlich paradox, dass wir für eine Unterhaltungsshow in ein Land fliegen, in dem gerade Menschen um ihr Leben kämpfen und viele, viele Tiere diesen Kampf bereits verloren haben«.

Aber viele Australier, die selbst von den Bränden betroffen seien - allen voran »Dr. Bob« - verdienten mit der Show ihr Geld. Und sie hätten ihm gesagt: »Egal, ob das Dschungelcamp stattfindet oder nicht - es löscht die Brände nicht.« Darum könne das Camp vielleicht sogar Gutes bewirken und Aufmerksamkeit auf die Katastrophe vor Ort lenken, meint Richter. Er hat vor, im Camp über den Klimawandel zu sprechen.

»Die Sache mit der Unterhaltung in Krisenzeiten ist eine schwierige«, sagt Thorsten Hennig-Thurau, Professor für Marketing und Medien an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. »Natürlich besteht bei uns allen ein Bedürfnis nach Ablenkung und Unterhaltung. Und dies gilt gerade und besonders in Krisenzeiten. Empirische Forschung zeigt (...), dass Menschen in Wirtschaftskrisen öfter ins Kino gehen.«

Das Camp abzusagen, ist aus seiner Sicht darum keine Lösung. »RTL sollte vielmehr zeigen, dass es seine gesellschaftliche Verantwortung akzeptiert. Man darf nicht als Clown in Krisenzeiten oder gar als Krisenprofiteur auftreten. Man muss stattdessen Wege finden, die Sendung mit einem Verantwortung zeigenden Format zu kombinieren.« Er nennt als Beispiele »Spenden, Diskussionen im und außerhalb des Camps (...). Die Strategieabteilung muss da kluge Formate finden.«

Auch die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher empfiehlt: »Man sollte auf die schwierigen Umstände eingehen, zumal ja die Feuer für Australien eine nationale Katastrophe darstellen.«

Ein RTL-Sprecher betont: »Wir nehmen die Situation in Australien sehr ernst. Wir haben uns auch mit teils direkt betroffenen australischen Crewmitgliedern ein persönliches Bild von der Situation gemacht. Die Buschbrände werden in der Sendung thematisiert.«

Der Sender führt an, die Brände, die inzwischen schon eine Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen zerstört haben, seien mehrere Hundert Kilometer vom Camp entfernt. Trotzdem gibt es in diesem Jahr strikte Sicherheitsvorkehrungen: Raucher dürfen nur rund um die Kochstelle zur Zigarette greifen und müssen die Stummel in einer abschließbaren Box entsorgen. Es gibt ein Spezialfeuerzeug - und kein Lagerfeuer. Zum ersten Mal in der Geschichte der Show wird auf einem Campingkocher gebrutzelt und nicht über offenem Feuer.

Das Lagerfeuer im letzten Lagerfeuer-Format des deutschen Fernsehens ist also erloschen, noch bevor die Show angefangen hat. Ein Zeichen auch über dieses Jahr hinaus? Aus Sicht von Hennig-Thurau dürfte es selbst das Dschungelcamp, das seit Jahren als großer Quotengarant gilt, künftig schwer haben - auch ohne die aktuelle Brand-Debatte.

Denn mit dem Bedeutungswachstum von Netflix und Co. schmelze das Zuschauerpotenzial immer weiter, sagt er. »Gerade die jungen Leute sind die Kernzielgruppe für das Dschungelcamp und auch mit Abstand die dynamischsten, was die Übernahme neuer Trends angeht. Die Jungen sind diejenigen, für die lineares Fernsehen heute eine dramatisch geringere Rolle spielt.« Insgesamt, so sagt Hennig-Thurau, »wird es immer schwieriger für RTL, solche Events zu generieren«.

Der zweite Grund laut dem Forscher aus Münster: Sättigung. »Es gibt in Bezug auf Unterhaltungsformate immer Sättigungstendenzen. Die Leute werden irgendwann müde, wenn ihnen dasselbe wieder vorgesetzt wird. Es braucht immer etwas Frisches, die Abweichung vom Gewohnten, um ein Rezept nicht langweilig werden zu lassen.«

Und eben weil eine wachsende Anzahl an Leuten kein lineares Fernsehen mehr schaue, werde es immer schwieriger, Personal zu finden, das vielen Menschen etwas sage. Dass jetzt mit Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) zum ersten Mal ein früherer Politiker dabei ist und mit Sonja Kirchberger (»Die Venusfalle«) eine Schauspielerin, die eher älteren Semestern etwas sage, führt er darauf zurück, dass RTL inzwischen auch auf andere, ältere Zielgruppen zielt, um das Format zukunftsfähig zu machen. Aber: »Ich glaube, dass wir da so langsam Byebye sagen müssen«, sagt Hennig-Thurau. »Es besteht die Gefahr, dass auch dieses mediale Lagerfeuerkonzept dauerhaft erkaltet. Es leuchtet und wärmt deutlich weniger.«

RTL-Infos zum »Dschungelcamp«