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Der Notfall im Krankenhaus: Wann wird ein Patient fixiert?

Wenn ein Patient tobt, kann er ans Bett gefesselt werden. Das ist zumindest in der Psychiatrie so. Und sonst? Klar ist: Eine Fixierung ist das letzte Mittel.

Notaufnahme
Rettungssanitäter bringen einen Mann in die Notaufnahme. Foto: picture alliance
Rettungssanitäter bringen einen Mann in die Notaufnahme.
Foto: picture alliance

In Psychiatrien geschieht es öfter: Wenn Patienten sich selbst oder andere gefährden, können sie mit Gurten am Bett fixiert werden. Doch auch in anderen Kliniken kommt das vor. In einem Pforzheimer Krankenhaus hatte das entsetzliche Folgen: Ein am Bett fixierter Patient starb am Dienstagabend nach einem Brand in der Notaufnahme. Die Ermittler untersuchen die Umstände. Generell darf ein Patient nur unter bestimmten Voraussetzungen ans Bett gefesselt werden.

Gibt es verbindliche Regeln zur Fixierung in Krankenhäusern?

Nach Wissen der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) gibt es keine allgemeingültige Checkliste. »Es ist eine ärztliche Entscheidung«, sagte eine Sprecherin. Und nur eine letzte und kurzfristige Maßnahme in Fällen von Selbst- oder Fremdgefährdung. Orientierung bietet das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG).

Wann darf ein Mensch fixiert werden?

Der rechtliche Hintergrund ist kompliziert, weil jedes Bundesland ein eigenes Gesetz hat. In Baden-Württemberg sind nach dem PsychKHG »besondere Sicherungsmaßnahmen« unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach §25 gilt dies »wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der anerkannten Einrichtung besteht, insbesondere bei erheblicher Selbstgefährdung, der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter oder wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, und dieser Gefahr nicht mit weniger eingreifenden Mitteln begegnet werden kann«.

Welche Hürden gibt es?

Die vom Grundgesetz geschützte Freiheit der Person (Artikel 2 und 104) ist ein hohes Gut. Für einen längeren Zeitraum darf eine Fixierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 nur nach einer richterlichen Entscheidung getroffen werden. Eine kürzere Sicherungsmaßnahme kann nach dem PsychKHG von einer Ärztin oder einem Arzt befristet angeordnet werden. Sie ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Die höchsten deutschen Richter forderten auch, dass ein fixierter Patient durchgehend durch pflegerisches oder therapeutisches Personal überwacht wird.

Welche Sicherungsmaßnahmen gibt es?

Das PsychKHG erwähnt neben dem Festhalten und der Absonderung in einem besonders gesicherten Raum ausdrücklich die Fixierung. Diese gibt es in verschiedenen Stufen: An Beinen, Armen und Bauch - teils auch um die Brust und Stirn. Bei einer Sieben-Punkt-Fixierung kann der Patient nicht einmal mehr den Kopf bewegen.

Wie oft kommen Fixierungen vor?

Dazu sind der Krankenhausgesellschaft für Allgemeinkliniken keine Zahlen bekannt. Was die Psychiatrien im Land angeht, ging das Bundesverfassungsgericht bei der mündlichen Verhandlung zur Fixierung von Psychiatrie-Patienten im Jahr 2018 allein in Baden-Württemberg von 17 600 Fällen aus.

Bundesweit wurden einige Todesfälle nach Fixierungen bekannt: So starb 2019 ein 34-Jähriger Student aus Kamerun an Herzversagen, nachdem Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes ihn gewaltsam fixiert hatten. Aufsehen erregte der Tod von Oury Jalloh, der nach seiner Flucht aus Sierra Leone an Händen und Füßen gefesselt 2005 bei einem Feuer in seiner Zelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) ums Leben kam. Jalloh war betrunken und stand unter Drogen. Ob er selber die Matratze anzündete, ist bis heute unklar.

Wie ist der Stand nach dem Pforzheimer Brand?

Ungeklärt ist noch immer, wie es zu dem Feuer kam, an was der Mann starb und warum er nicht in Sicherheit gebracht wurde. Untersucht werden auch die Umstände der Fixierung. »Es braucht eine gewisse Zeit, bist das alles aufgeklärt ist«, sagte der Staatsanwalt.

Der Karlsruher Menschenrechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah geht von einem Tötungsdelikt durch Unterlassen aus. Er hat Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Mordes gestellt. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Patient infolge des Brandes starb, weil er nicht flüchten konnte. Während einer Fixierung sei eine »Sitzwache« zwingend. »Eine solche hat es offenbar nicht gegeben oder aber sie hat den Getöteten alleine gelassen«, so der Anwalt. Mit seiner Anzeige will er in erster Linie Druck machen, dass auch für Allgemeinkliniken sowie Alten- und Pflegeheime klar ist, dass bei Fixierungen immer jemand aufpassen muss.

© dpa-infocom, dpa:230504-99-561831/2