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Dem Gewässermüll auf der Spur

Fahrräder, Teppiche, Stühle, Klamotten - das alles landet im Berliner Landwehrkanal und macht beim Aufräumen viel Arbeit. Bei manchen Funden wird die Polizei gerufen. Ein Vormittag an Bord der »Dachs«.

Berlin
Fahrräder, E-Roller und andere Gegenstände liegen bei einer Schiffsfahrt des Wasser- und Schifffahrtsamtes zur Hindernisbergung im Landwehrkanal an Bord des Schiffs. Foto: Monika Skolimowska
Fahrräder, E-Roller und andere Gegenstände liegen bei einer Schiffsfahrt des Wasser- und Schifffahrtsamtes zur Hindernisbergung im Landwehrkanal an Bord des Schiffs.
Foto: Monika Skolimowska

Vier Fahrräder, zwei elektrische Leihfahrräder, zwei Elektro-Leihroller, Verkehrsschilder, vier Quadratmeter Teppich, ein BH und eine verhedderte Wäscheleine mit Unrat. Das alles und mehr findet sich im Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg - auf einer nur 1,4 Kilometer langen Strecke. »Wasser ist leider ein sehr dankbarer Aufnehmer für alles, was verschwinden soll«, sagt Andreas Müller vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Spree-Havel (WSA).

Damit die Ausflugsdampfer und andere Schiffe über Berliner Gewässer schippern können, ohne dass sich die Schiffsschrauben im Müll verheddern, muss unter Wasser aufgeräumt werden. Müller steuert die 14 Meter lange »Dachs OP 2819«, ein offenes Arbeitsschiff, langsam über den Kanal - vorbei an Getränkedosen und toten Tauben. Er und seine beiden Kollegen werden die zehn Kilometer von der Oberschleuse in Kreuzberg bis zur Dovebrücke in Charlottenburg mehrfach abfahren und die Fahrrinne wieder schiffbar machen. Dafür braucht das Team ein bis zwei Wochen. Es ist eines von vielen, die dem Berliner Gewässermüll auf den Grund gehen.

Während die »Dachs« langsam auf Höhe Kottbusser Brücke über den Kanal fährt, lassen Stephan Strauch und ein Kollege Bootshaken über den Grund gleiten. Außerdem hängt unter dem Schiff ein waagerechter Peilrahmen, mit dem sich Hindernisse mechanisch erkennen lassen. »Stößt der Rahmen gegen ein Hindernis, schlägt der Balken aus«, erklärt Wasserbauer Strauch. Der Bootshaken bleibt ständig hängen.

Hin und wieder finden sie auch Tresore im Schlamm

Unter der Brücke schlägt auch der Peilrahmen an. Doch die Männer versuchen vergeblich, das schwere »Etwas« zu bergen. Was genau es ist, lässt sich nicht sagen. »Es wiegt mehr als 100 Kilo, vielleicht ist es ein Tresor«, so Strauch. In den kommenden Tagen müssen Taucher erkunden, was sich hier in den Schlamm eingegraben hat. Tresore seien gar nicht so selten. »Wir haben auch schon einen geschlossenen gefunden, in dem noch Goldschmuck lag«, erzählt Müller. In solchen Fällen müssen sie die Polizei rufen.

Die muss auch kommen, wenn die Besatzung Wasserleichen findet. Das sei etwa zwei- bis dreimal jährlich der Fall, sagt Strauch. »Oft sind es Männer mit heruntergelassenen Hosen, die beim Wasserlassen ins Wasser gefallen sind«, erzählt er.

Die vielen Muscheln an den Fahrrädern sind für Andreas Müller ein Zeichen dafür, dass die Räder mindestens seit Sommer im Wasser liegen. »Wegen der Akkus sind die Fahrräder und E-Scooter Elektroschrott und den müssen wir als Behörde kostenpflichtig entsorgen, wenn das die Verleihfirmen nicht tun.« Und das koste Steuergeld.

Gefährliche Akkus

Die Akkus an den Gefährten sind aus Sicht der Umweltverwaltung gefährlich: »In die Lithiumionen-Akkus eindringendes Wasser kann in den Akkus reagieren, wodurch Stoffe, insbesondere Lithium, die Schwermetalle Kobalt, Nickel und Kupfer sowie verschiedene Säuren freigesetzt werden können«, so Sprecherin Sara Lühmann. »Blei kann auf verschiedene Organe und das zentrale Nervensystem schädigend wirken. Auf Wasserorganismen wirkt es ebenfalls hochgiftig«, warnt auch das Umweltbundesamt.

Detaillierte Erkenntnisse, wie schnell Stoffe freigesetzt werden und in welchen Mengen, liegen der Umweltverwaltung laut Lühmann nicht vor. »Inwiefern lokal die aquatische Wasserfauna oder -flora beeinträchtigt werden kann, können wir mangels konkreter Daten nicht abschätzen.«

Patrick Grundmann, Sprecher des Verleihers Tier, schätzt die Gefahren für die Umwelt nicht hoch ein: »Es kann Monate dauern, bis die Metallhülle soweit korrodiert ist, dass eventuell Schadstoffe austreten könnten. Bis dahin wurden die Fahrzeuge aber schon aus dem Wasser geholt.«

Auch die Verwaltung holt bis zu zweimal wöchentlich Unrat aus den Gewässern. Allein aus den schiffbaren Berliner Gewässern, darunter die Spree, wurden demnach in den vergangenen Jahren im Schnitt etwa 400 Kubikmeter Müll geborgen. »Die Tendenz ist eher zunehmend und lag zuletzt sogar bei 500 bis 600 Kubikmetern«, sagte Lühmann. Zum Bergen der Leihfahrräder und -Scooter seien vermehrt Sondereinsätze nötig.

30 Tonnen Müll in drei Jahren geborgen

Auch Ehrenamtliche wie Jan Ebel vom Verein Spree:publik und Mitstreiter fischen regelmäßig Räder und Scooter aus dem Wasser. »Wir sind nur im Winter mit dem Floß unterwegs. Dann ist das Wasser besonders klar und die Sicht gut. Wir dürfen nicht im Trüben fischen«, so der Hausbootbewohner aus der Rummelsburger Bucht, der für seine Einsätze immer Genehmigungen von verschiedenen Behörden braucht. Etwa 30 Tonnen Müll seien in den vergangenen drei Jahren bei den Touren zusammengekommen, schätzt der 41-Jährige.

Mit Abfall in Flüssen haben auch andere Regionen zu kämpfen. In Köln organisiert die Initiative »Krake« regelmäßig Aufräumaktionen im und am Rhein. Seit ein paar Monaten lässt der Verein einen riesigen Fangkorb in dem Fluss schwimmen. Zwischen Ende September und Ende Dezember vergangenen Jahres seien so 207 Kilogramm Müll entfernt worden, berichteten lokale Medien. »Jeden Tag schwimmt im Rhein eine Tonne Müll in die Nordsee«, heißt es auf der Homepage der Initiative.

Nach Schätzungen der Organisation The Ocean Cleanup von 2021 wurden allein in der Elbe bei Hamburg mehr als 41.500 Kilogramm Plastik pro Jahr in die Nordsee gespült. Für die Oder wurden mehr als 7000 Kilogramm, für die Weser 19.100 Kilogramm ausgewiesen.

Wie groß das Müll-Problem ist, zeigen die jedes Jahr aufs Neue von Freiwilligen organisierten Abfallsammel-Aktionen entlang der Flüsse. Allein bei der Aktion »Rhine Clean Up« im vergangenen Spätsommer kamen nach Angaben der Initiatoren 280 Tonnen Müll zusammen. An der Aktion beteiligten sich demnach rund 35.000 Freiwillige.

© dpa-infocom, dpa:230316-99-972702/2