Palma (dpa) - Die Tragödie wird auf Mallorca langsam zur Routine. Ein junger Tourist aus Deutschland kam am Montagabend bei einem Sturz vom Balkon seines Hotelzimmers an der Playa de Palma ums Leben. Es ist kein Einzelfall.
Allein seit Beginn der Saison starben auf der spanischen Urlaubsinsel bereits acht ausländische Besucher bei Stürzen aus Fenstern oder von Balkonen. Viele weitere Opfer kamen mit Verletzungen davon. Dahinter steckt fast immer das sogenannte »Balconing« - Mutproben junger Urlauber in oft schwindelerregender Höhe unter Alkohol- oder Drogen-Einfluss. Behörden sind ratlos.
Der Notruf ging am Montag gegen 19 Uhr ein. Ein Körper war am Ballermann mit lautem Knall auf einem Betondach im ersten Stock des Hotels Pabisa Bali aufgeschlagen. Sanitäter und der Notarzt konnten laut Polizei nur noch den Tod des 23-Jährigen feststellen. Der Deutsche sei aus dem 12. Stock gefallen. Zu den Todesumständen seien Ermittlungen aufgenommen worden, sagte ein Polizeisprecher. Unter anderem sollte eine Autopsie durchgeführt werden.
Woher das Opfer aus Deutschland stammte, konnten die Behörden auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur vorerst nicht sagen. Der Unglücksort liegt nur rund 200 Meter vom Strand entfernt am Carrer Pare Bartomeu Salvà. Im Volksmund viel besser als »Schinkenstraße« bekannt. Es ist das Party-Epizentrum der Playa de Palma. Dort findet man unter anderem den »Bierkönig«, den größten Biergarten/Diskothek der Insel, mit Platz für rund 10 000 partywillige Besucher.
Ob das jüngste Opfer des »Balconing« am Montag im »Bierkönig« war, steht nicht fest. Die Polizei habe aber am Dienstag ein Überwachungsvideo des Hotels ausgewertet, berichtete die »Mallorca Zeitung«. Darin sei zu erkennen, wie der junge Mann möglicherweise aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum »sich kaum auf den Beinen halten kann« und »über das Geländer seines Zimmers« steige. Über dem Abgrund halte er sich zunächst noch mit den Armen am Geländer fest, bevor er plötzlich loslässt und in die Tiefe stürzt.
Zunächst hatte es geheißen, der Deutsche habe am Geländer des Hotelbalkons Klimmzüge gemacht und sei deshalb hinuntergestürzt. Der 23-Jährige war nach Medienberichten kurz vor dem Sturz in Mallorca mit zwei Freunden eingetroffen. Beim Unglück soll er aber in seinem Hotelzimmer allein gewesen sein.
Der Tod des jungen Mannes war am Montag nicht der einzige Zwischenfall mit einem deutschen Touristen auf Mallorca. Gegen vier Uhr nachmittags habe sich ein Deutscher eine Knieverletzung zugezogen, als er beim Klettern an einer Hotelfassade der Playa de Palma gestürzt sei, so die »Diario de Mallorca«.
Am frühen Montagmorgen wurde außerdem eine junge Touristin aus Frankreich schwer verletzt, als sie in Palmanova unweit des »britischen Ballermanns« Magaluf südwestlich von Palma aus ihrem Zimmer im dritten Stockwerk eines Hotels in die Tiefe stürzte. Die 20-Jährige liege auf der Intensivstation, teilte die Polizei mit.
Die meisten Opfer des »Balconing« wurden in diesem Sommer bisher im Badeort Magaluf registriert. Es waren vor allem junge Briten. Briten wie die 19-jährige Natalie, die vor ihrem Sturz in den Tod auf Facebook postete: »Ich erlebe hier die besten Tage meines Lebens.« Oder wie Thomas (20) oder Tom (18). Oft ist es der erste Urlaub ohne Eltern, man will auf den Putz hauen, und die Bars öffnen sehr früh. Auf Websites findet man Angebote wie den »Magaluf Club Pass«: Sieben Nächte All-You-Can-Drink für 99 Euro, im Mai und September sogar nur 29 Euro.
Die Experten sprechen unisono von einem »traurigen Rekord«. »Wir müssen abwarten, bis die Saison vorüber ist. Aber schon jetzt kann man sagen, dass es noch nie so viele waren wie in diesem Jahr«, wurde der mallorquinische Unfallchirurg Juan José Segura erst vorige Woche in der »Mallorca-Zeitung« zitiert.
Der 32-Jährige behandelt nicht nur die Opfer. Gemeinsam mit sechs Kollegen hat er auch die Hintergründe des zunehmenden Phänomens zu erforschen versucht. In einer 2016 veröffentlichten Studie werden die beabsichtigten Sprünge vom Hotelbalkon in den Pool als auch die Abstürze beim Klettern über das Geländer unter die Lupe genommen. Zwischen 2010 und 2015 gab es demnach 46 Fälle. 60 Prozent der Opfer sind Briten, 15 Prozent Deutsche. 96 Prozent hatten Alkohol konsumiert, 30 Prozent auch andere Drogen. Mentale Probleme oder Suizidabsichten hatte demnach keines der Opfer.
Die Gemeinde Calvià, zu der Magaluf gehört, hatte nach mehreren Todesfällen schon Anfang Juli Alarm geschlagen und eine Krisensitzung mit Hoteliers und Politikern sowie mit Vertretern des britischen Konsulats abgehalten. Ein Ergebnis des Treffens: Die Regierung der Balearen will auf Antrag von Unternehmern, Nachbarschaftsverbänden und Gemeinden verstärkt gegen »Sauftourismus« vorgehen und beispielsweise den freien Ausschank alkoholischer Getränke in den sogenannten All-Inclusive-Hotels verbieten. Über weitere Maßnahmen wird noch nachgedacht.