HAMBURG. Eine vorgetäuschte Polizeikontrolle, 1,1 Tonnen Kokain aus Südamerika im Wert von wohl 30 Millionen Euro und ein achtköpfiges Team, das von unbekannten Hintermännern gesteuert wird.
Mit Haftstrafen von dreieinhalb bis zehn Jahren fand vor dem Landgericht Hamburg ein Coup seinen vorläufigen Abschluss, der »filmreife Züge« gehabt habe, wie Richter Bernd Steinmetz sagte. Auch der Prozess selbst sei ein »ganz außergewöhnliches Verfahren« gewesen. Daran hatte auch das Coronavirus seinen Anteil.
Die Männer im Alter von 26 bis 51 Jahren wurden unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beziehungsweise Beihilfe verurteilt (Az.: 603 KLs 8/19).
Die Rekapitulation des Verbrechens vor Gericht beginnt im Oktober 2018 im brasilianischen Santos. Dort wird ein Container mit Gelatine verladen, der nach mehreren Zwischenstopps schließlich im November im Hamburger Hafen landet. Spätestens da befinden sich nicht mehr nur Gelatine, sondern auch 1100 Päckchen mit je einem Kilogramm Kokain in dem Container. Ein bis heute Unbekannter muss das gewusst haben und kontrolliert über eine Internetplattform immer wieder den Standort des Containers. Er oder sie instruiert acht Männer, die das Kokain abfangen sollen.
Sie besorgen unter anderem Transporter, Polizeiausrüstung, abhörsichere Handys und Störsender etwa gegen GPS-Ortung. Am 8. November 2018 stoppen sie den LKW, der den Container nach Süddeutschland bringen soll, südlich von Hamburg auf der Autobahn und täuschen eine Polizeikontrolle vor. Der Plan sei gewesen, den LKW-Fahrer festzuhalten, das Kokain zu entladen und den LKW dann weiterzuschicken.
Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Polizei dem Team schon längst auf der Spur. Gegen einen der Beteiligten ermittelt sie bereits wegen des Handels mit Marihuana und hatte gemerkt, dass etwas Größeres in Vorbereitung ist. Mit Spezialkräften greift die Polizei in einer Lagerhalle in Hamburg-Rothenburgort zu, als ein Teil der jetzt Verurteilten gerade dabei ist, die Ware zu entladen. Die übrigen Männer, die sich um den LKW-Fahrer gekümmert hatten, nimmt sie kurze Zeit später fest.
Am 8. Mai 2019 begann der Prozess. Der sei mühsam und schleppend fortgeschritten, erinnerte sich Richter Steinmetz. So, wie er es aus ähnlichen Prozessen kenne. Ende Februar 2020 haben man schon mehr als 40 Verhandlungstage gezählt. Doch dann entwickelte die Corona-Pandemie im März eine starke Dynamik. Man sei sich im Saal einig gewesen, dass das Verfahren nicht so hätte weitergehen können, erklärte Steinmetz. Unter anderem wegen der hohen Anzahl der Beteiligten und des resultierenden Infektionsrisikos.
Man habe sich im Anschluss auf die wesentlichen Tatbestände konzentriert und sich Ende April auf eine Verständigung geeinigt. Diese beinhaltete unter anderem weitere Aussagen der Beschuldigten aber auch ein abgestecktes Strafmaß. In diesem Rahmen bewegt sich auch das Urteil vom Mittwoch: Dreieinhalb und dreidreiviertel Jahre für zwei zur Beihilfe Verurteilte und zehn Jahre für den laut Gericht Hauptverantwortlichen für den vorgetäuschten Polizeieinsatz. Er und vier weitere Männer wurden deshalb auch wegen Amtsanmaßung verurteilt. Wer hinter dem ganzen Plan stand, blieb aber unklar. (dpa)