Darmstadt. »Drei bis vier Tage vorher können wir den genauen Tag eingrenzen, am Tag selbst dann im besten Fall den Zeitpunkt bis auf einige Stunden bestimmen«, sagte Holger Krag von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA am Mittwoch in Darmstadt. Deutschland werde nicht betroffen sein. Zu dem unbemannten »Himmelspalast« besteht seit 2016 kein Kontakt mehr.
Der Wiedereintritt der Raumstation sei nicht vergleichbar mit einem Meteoriteneinschlag, betonte Krag. Die Trümmer fielen ab 30 Kilometern Höhe mit der normalen Fallgeschwindigkeit. Daher werde es auch keine Krater geben. »Die Wahrscheinlichkeit von einem Trümmerteil verletzt zu werden, ist so hoch wie die Möglichkeit von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden.«
Dass Teile der rund 8,5 Tonnen schweren und zwölf Meter langen Raumstation auf Deutschland, die Schweiz oder Österreich fallen, sei sogar ausgeschlossen. Das Gebiet, über dem die Trümmer eintreten können, ist jedoch riesig. Krag spricht von einem erdumspannenden Gürtel von 43 Grad südlich bis 43 Grad nördlich des Äquators. Damit kann es alle Kontinente - bis auf die Antarktis - und alle Ozeane treffen. Auf dem 43. Grad nördlicher Breite liegt etwa Marseille.
Weil die mögliche Absturzregion viel Wasser und Wüsten umfasst, sei es fraglich, ob sich nach dem Absturz überhaupt Teile des »Himmelspalasts« finden ließen. »Es fällt auch nicht alles auf einen Fleck, sondern verteilt sich über eine Schleppe von 1000 bis 1200 Kilometern«, sagte Krag.
Etwa 1,5 bis 3,5 Tonnen von »Tiangong 1« würden voraussichtlich den Eintritt in die Atmosphäre überstehen, sagte Krag. Wenn die Raumstation in ihrer Umlaufbahn auf etwa 100 Kilometer Höhe sinke, werde sie aufgrund der Dichte der Erdatmosphäre innerhalb kurzer Zeit abgebremst. Das Objekt zerfällt und in der entstehenden Reibungshitze verglüht der größte Teil, nur Elemente aus Titan und Edelstahl nicht. Allzu ungewöhnlich ist das nicht: »70 bis 80 Tonnen Raumfahrtschrott kommen durchschnittlich in einem ganzen Jahr unkontrolliert runter«, sagt Krag.
China hatte »Tiangong 1« im September 2011 ins All geschossen, wo das Raumlabor über die Jahre sechs Kopplungsmanöver mit chinesischen Raumschiffen der »Shenzhou«-Reihe absolvierte. Seit 2016 umkreist auch der Nachfolger der »Tiangong 1« die Erde. In dem neuen chinesischen Raumlabor können zwei Astronauten länger als im Vorgängermodell leben. Zudem hat »Tiangong 2« eine höhere Ladekapazität und lässt sich erstmals auftanken. Die Labors dienen der Vorbereitung für den Bau und Betrieb einer eigenen chinesischen Raumstation, die um 2022 fertig werden soll. (dpa)