NASSAU. Nach dem verheerenden Hurrikan »Dorian« werden auf den Bahamas noch rund 1300 Menschen vermisst. Das erklärte der Sprecher der Katastrophenschutzbehörde des karibischen Inselstaates (Nema), Carl Smith, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Es sei damit zu rechnen, dass die Zahl der bislang 50 bestätigten Toten »deutlich steigen« werde, sagte Premierminister Hubert Minnis in einer TV-Ansprache. Deutsche und niederländische Marinesoldaten begannen unterdessen mit ihrem Hilfseinsatz auf den Bahamas.
Am Mittwoch hatte Smith die Zahl derer, die in einem Register der Regierung als vermisst vermerkt waren, noch mit 2500 angegeben. Inzwischen habe ein erster Abgleich mit anderen Datenbanken stattgefunden, erklärte Smith den deutlichen Rückgang. Gemeint waren Listen derjenigen, die in Sicherheit gebracht worden waren oder sich noch in Notunterkünften befanden.
Es könne Wochen dauern, bis alle Todesopfer geborgen seien, sagte der Minister für Nationale Sicherheit, Marvin Dames, nach örtlichen Medienberichten. Noch seien die Helfer nicht in alle verwüsteten Gebiete vorgedrungen. Berichte, die Regierung spiele die Zahl der Toten herunter, wies er entschieden zurück: »Wir können nur zählen, was wir sehen.«
»Dorian« hatte am 1. September die Abaco-Inseln im Norden der Bahamas als Hurrikan der höchsten Kategorie 5 getroffen und war später über der Insel Grand Bahama beinahe zum Stillstand gekommen. Erst nach 68 Stunden mit enormen Zerstörungen zog er komplett über die Bahamas hinweg. Nach Schätzung des Roten Kreuzes wurden etwa 13 000 Wohnhäuser schwer beschädigt oder zerstört. Es handelte sich nach Angaben der Karibischen Katastrophenschutzagentur CDEMA um den stärksten je gemessenen Hurrikan, der im Atlantik-Gebiet direkt auf Land getroffen war - zusammen mit einem Sturm im US-Bundesstaat Florida im Jahr 1935.
Die Retter verstärkten ihre Bemühungen, die Toten zu bergen, sagte Premier Minnis. Er nannte den Hurrikan »eine historische Tragödie«. Große Teile von Abaco und Grand Bahama seien zerstört worden. Es sehe mancherorts aus, »als wäre eine Atombombe explodiert«.
Auch der der Leiter der US-Entwicklungshilfeagentur USAID, Mark Green, griff am Donnerstag zu diesem drastischen Vergleich, um die Schäden auf den Bahamas zu beschreiben. Teile der Inselgruppe seien komplett ausgelöscht worden, sagte Green in Washington weiter. Er kündigte an, die USA stellten weitere vier Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe für die Bahamas bereit. Insgesamt steige die Summe damit auf zehn Millionen US-Dollar.
Teams von USAID sind auf den Bahamas im Einsatz, um notleidende Menschen mit Wasser, Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Schlafplätzen zu versorgen. »Es ist ein langer Weg, der vor uns liegt«, sagte Green mit Blick auf den Wiederaufbau auf den Bahamas. Die USA stünden dabei fest an der Seite ihres Nachbarn. Am Freitag will auch UN-Generalsekretär António Guterres die Bahamas besuchen.
Ein Vorgänger von Premier Minnis, der langjährige Regierungschef Hubert Ingraham, sagte nach einem Besuch der Insel Great Abaco am Mittwoch vor Journalisten, nach seinen Informationen seien Hunderte Menschen ums Leben gekommen.
Am Mittwoch war das Docklandungsschiff »Johan de Witt« - ein Hubschrauberträger - auf den Bahamas eingetroffen, wie die niederländische Marine mitteilte. An Bord des Schiffes sind auch 50 deutsche Marinesoldaten. Der Einsatz soll nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Berlin bis zum 18. September dauern. Schiff und Mannschaft waren eigentlich für eine Zertifizierungsübung in dem Gebiet.
Der Einsatz werde durch Regen und starken Wind erschwert. »Das macht es nicht einfacher, das Material an Land zu bringen«, sagte der Kommandeur der insgesamt rund 550 niederländischen Soldaten, Ad van de Sande, der Nachrichtenagentur ANP am Donnerstag in Nassau. An Bord befänden sich auch mehr als 40 Fahrzeuge, die dringend auf den Bahamas benötigt würden: »Die sollten wir so schnell wie möglich entladen.«
Auch an Bord eines zweiten Schiffes, des Vermessungsschiffes »Snellius«, befinden sich Hilfsgüter. Dabei handele es sich laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums in Den Haag um Zelte, Trinkwasser, haltbare Nahrungsmittel und Arzneimittel. Die Niederländer seien auch auf personelle Unterstützung in einem Krankenhaus eingerichtet.
Während des Sturms war es an einem Ölhafen des staatlichen norwegischen Öl- und Gaskonzerns Equinor auf Grand Bahama zu einem Ölaustritt gekommen. Ein Spezialistenteam sei inzwischen im Einsatz, um die Folgen zu beseitigen, teilte das Unternehmen mit. Aus der Luft sei - 70 bis 80 Kilometer entfernt auf offenem Meer - möglicherweise Öl entdeckt worden, das auch einen Teil der Küste verschmutzt haben könnte. Am Hafen sei derzeit kein Austritt ins Meer festzustellen. (dpa)