MONHEIM AM RHEIN. Ist das Vogelhäuschen ein Hinweis? Oder vielleicht der kleine Hubbel auf dem Straßenschild? Geocacher müssen aufmerksam sein. Was gerne als moderne Schnitzeljagd bezeichnet wird, ist oft anspruchsvoll.
Mit Hilfe von GPS-Geräten oder Navigations-Apps fürs Handy sucht man dabei nach dem »cache« (Versteck). Wer fündig wird, trägt sich ins Logbuch ein, das am Ziel versteckt ist, und notiert online, wann er den Cache gefunden hat.
»Man sieht die Welt mit anderen Augen, wenn man das jahrelang macht. Manchmal bleibe ich irgendwo im Wald stehen, weil ich einen Trampelpfad sehe, wo eigentlich keiner hingehört, und dann liegt da eine Dose unter einem kleinen Holzstückchen«, erzählt Uwe Stelzmann am Telefon. Der 57-Jährige hat Geocaching vor elf Jahren das erste Mal mit seiner Familie ausprobiert. Der erste Versuch war holprig: Das Navigationsgerät hatte er falsch eingestellt, die Suche führte an den Gartenzaun einer überraschten Anwohnerin statt zum Schatz.
Trotzdem hatte es den Rheinländer gepackt. Mehr als 10 000 Caches in über 20 Ländern hat er mittlerweile gefunden, teilweise viele an einem Tag, sagt er. In verlassenen Gebäuden, auf dem höchsten Berg Schottlands, in einer Höhle auf Mallorca oder daheim in Nordrhein-Westfalen. Für manche muss der Bankmitarbeiter vor allem gut zu Fuß sein, bei anderen muss er im Team Rätsel lösen. »Jeder Cache ist anders«, erzählt er.
Gleichgesinnte sind dafür in Städten genauso unterwegs wie in der Natur. Am 3. Mai 2000 veröffentlichte Dave Ulmer im Netz die Koordinaten des ersten Caches. In der Nähe von Portland im Nordwesten der USA hatte er zuvor einen schwarzen Plastikeimer vergraben. Unter anderem eine Software mit den topographischen Karten der USA, Videos, Bücher und Essen habe er darin versteckt, schrieb er. »Nehmt etwas mit, lasst etwas da! Notiert alles im Logbuch! Habt Spaß!«
Am Tag zuvor hatten die USA die Störung der GPS-Signale beendet, wegen der Zivilisten Standorte nicht genau bestimmen konnten. Mehrere Leser machten sich nach Ulmers Nachricht erfolgreich auf die Suche. Bald gingen die ersten Webseiten online, auf denen neue Caches eingetragen wurden. Weltweit bekannt ist heute geocaching.com. Mehr als 3 Millionen Geocaches in 191 Staaten nennt das Unternehmen. In Deutschland ist etwa auch die Seite opencaching.de bekannt.
Um zu starten, braucht man nur ein GPS-Gerät oder eine Smartphone-App, in die die Koordinaten eingegeben werden, sagt Stelzmann. Die finden Geocacher entweder direkt im Internet oder müssen sie erknobeln. Nur auf das Gerät sollte man sich bei der Suche aber nicht verlassen: »Wenn ich in die richtige Richtung gehe, zeigt mein Gerät eine immer kleinere Entfernung an«, erklärt Stelzmann, der auf seiner Webseite die beliebtesten Caches in Hessen und NRW aufführt. »Wenn man bei fünf Metern angekommen ist, sollte man nicht mehr auf das Gerät gucken, sondern sich umschauen. Im Wald bieten sich Verstecke an einem Baumstamm oder an einer Wurzel oder in einem Astloch oder unter Laub an.«
Gerade in der Natur müssen Geocacher aber auch aufpassen, um keine Schäden anzurichten: So sollten sie die Wege möglichst wenig verlassen, erklären die Naturfreunde Brandenburg, die selbst Geocaching-Touren organisieren. Schneller und damit naturverträglicher gehe es mit Hinweisen auf das Versteck.
Wie groß der gesuchte Container ist, wird im Netz erwähnt, sagt Stelzmann. Von fingernagelgroßen, magnetischen Metalldosen bis zu Tupperdosen, Eimern oder Munitionskisten gebe es alles. Ähnlich bei den Rätseln: »Es kann sein, dass die nächste Koordinate in Klarschrift an einem Verkehrsschild klebt oder dass ich aus einem Text die richtigen Buchstaben herausfinden und dann in Zahlen übersetzen muss: Der Buchstabe A steht dann zum Beispiel für 1, B für 2 und so weiter.« Daraus ergibt sich die nächste Koordinate. »Das kann teilweise über zehn, 15 Stationen gehen. Dann hat man eine schöne, animierte Wanderung gehabt, wo man zwischendurch immer mal was rechnen, übersetzen oder ermitteln kann.«
Denn manchmal müssen auch Puzzleteile richtig zusammengesetzt werden, um auf der Rückseite die nächste Koordinate zu finden. Oder sie werde unter UV-Licht sichtbar. Oder eine Batterie muss an ein Versteck gehalten werden, das dann eine Botschaft abspielt. Stelzmann kann etliche Beispiele für kreative Stationen nennen. »Das ist wahnsinnig vielfältig. Ich gebe zu, am Anfang war ich auch etwas überfordert. Aber man wächst schnell rein.«
Die Routen kann jeder legen. Mittlerweile verwenden auch Tourismusverbände oder Museen gerne GPS-gestützte Touren, um ihre Angebote bekannt zu machen und Besuchern nahe zu bringen. In der Pädagogik kommen sie ebenfalls zum Einsatz. Die Brandenburger Naturfreunde zum Beispiel bieten seit 2012 geführte Geocaching-Touren an, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene Natur erleben zu lassen und ihnen Wissen zu vermitteln.
Unterwegs messen sie etwa mit ihren Armen den Umfang eines Baumes und bestimmen so dessen ungefähres Alter oder beantworten Wissensfragen zu Pflanzen, erklärt Landesvorsitzende Grit Gehrau. »Da gibt es oft einen Aha-Effekt. Und die Kinder freuen sich, draußen zu sein und toben zu können.« An der frischen Luft unterwegs zu sein, sei gut für Körper und Seele. »Und mit Geocaching kann man Technik und Natur gut verbinden.«
So vielfältig ist es aber erst im Laufe der Zeit geworden. In Brandenburg wurde Deutschlands erster Geocache versteckt - ebenfalls vor 20 Jahren, im Oktober 2000. Die Koordinaten standen im Netz. »Heute findet man an jeder Ecke irgendwo was versteckt«, sagt Stelzmann. Auch während der Corona-Pandemie können Geocacher sich auf die Suche machen - wenn sie den nötigen Abstand zu anderen Menschen einhalten und alleine oder mit der je nach Bundesland erlaubten Zahl an Begleitern unterwegs sind. Manche komplizierte Caches, bei denen Teams losziehen, um die Aufgaben gemeinsam zu lösen, fallen also weg. (dpa)