Oscar-Preisträger Anthony Hopkins (86) hat bedeutende Figuren wie Pablo Picasso, Alfred Hitchcock, Papst Benedikt oder Richard Nixon genial dargestellt. Roland Emmerich (68) ist die Regie-Größe hinter Katastrophen-Blockbustern wie »Independence Day« und »The Day After Tomorrow«. Nun machen beide Stars gemeinsame Sache. Geht das auf?
Mit der fulminanten Historien-Serie »Those About To Die« (Start: 19. Juli bei Prime Video) über Machtspiele, Korruption, Gladiatorenkämpfe und Pferdewagenrennen im alten Rom zeigt Emmerich eine andere Seite. »Ich bin sehr interessiert an Geschichte. I am a history man«, erzählt der Hollywood-Regisseur der Deutschen Presse-Agentur bei einem Interview am Drehset in den Cinecittà-Filmstudios in Rom. »Die Menschen ändern sich nicht so sehr. Es geht immer um Neid. Viele Dinge, die wir hier beschreiben, sind auch heute noch aktuell«, sagt der gebürtige Stuttgarter.
Mit Toga und Lorbeerkranz
Dem britischen Sir Hopkins nimmt man die imposante Figur des römischen Kaisers Vespasian spielend ab. Mit weißer Toga und goldenem Lorbeerkranz gibt der 86-Jährige in Emmerichs Rom im Jahr 79 nach Christi den Ton an. »Nichts ist von größerer Bedeutung als unser geliebtes Rom«, erklärt der Kaiser in einer Stadt, die von brutalen Machtkämpfen, bitterer Armut und blutigen Wettspielen geprägt ist.
Hopkins war leicht für die Rolle zu gewinnen. Dreharbeiten in Rom und ein »fantastisches« Regie-Duo - da habe er sofort zugesagt. Im dpa-Interview schwärmt der Brite von der Vision und dem Handwerk, die Emmerich und dessen Regie-Kollege Marco Kreuzpaintner (47, »Krabat«, »Der Fall Collini«) an den Tag legten. Beide haben jeweils fünf Folgen der zehnteiligen Serie inszeniert.
Für ihn selbst sei es leichte Arbeit gewesen, sagt Hopkins und schmunzelt. »Ich musste eigentlich nur einen starken und strengen Vater spielen, der seine beiden Söhne unter Kontrolle hält, denn es gab Eifersucht und einer wollte an die Macht«. Der bittere Konflikt der beiden Kaiser-Söhne Titus und Domitian, gespielt von den Briten Tom Hughes (»Geheimnis eines Lebens«) und Jojo Macari (»Sex Education«), ist nur einer von zig Erzählsträngen.
Vielfalt und spektakuläre Kämpfe
Emmerich hat eine bunte Mischung von Charakteren mit ihren Leiden, Liebschaften, Blutdurst und Kräftemessen ins alte Rom verfrachtet. Dort kämpfen Sklaven, Patrizier, Gladiatoren und Wagenlenker täglich um mehr Macht oder ums Überleben. Die Lage in der Stadt ist angespannt - mit Essensausgaben und spektakulären Wettkämpfen soll die Bevölkerung bei Laune gehalten werden.
Die aus Nubien stammende Händlerin Cala (Sara Martins) will ihre nach Rom verschleppten Kinder retten. Sohn Kwame (Moe Hashim) kämpft als Gladiator, die beiden Töchter wurden als Sklavinnen verkauft. Der geldgierige Tenax, gespielt von Iwan Rheon (»Game of Thrones«) betreibt ein Wettgeschäft für die Wagenrennen, vier mächtige und korrupte Patrizier-Fraktionen kontrollieren diese Spiele. Für die Gladiatoren-Kämpfe wird auf Anordnung des Kaisers eigens das Kolosseum gebaut, um dort die Massen mit brutalen Kämpfen und Sportwettbewerben zu unterhalten.
Brutale Szenen und Sex
Emmerich macht es den alten Römern nach. Mit gnadenloser Brutalität, freizügigen Sexszenen und halsbrecherischen Wagenrennen geht er in die vollen und tischt ein mitreißendes Spektakel auf. »Die Massen verlangten Unterhaltung, nicht wahr?«, postete der Regisseur vielsagend zu einem Serien-Trailer auf Instagram.
Für viele Szenen mit historischen Kulissen nutzte er eine riesige Leinwand mit virtuellem Hintergrund. Die Bilder sind stark, vom Ausbruch des Vesuvs mit Ascheregen über Rom bis hin zur Wasserschlacht im künstlich überfluteten Kolosseum. Riesige Krokodile fressen ihre Opfer, auch Löwen und Nashörner werden auf Gladiatoren losgelassen. Nichts für Zimperliche.
Historische Vorlage
Historisch völlig korrekt ist »Those About To Die« nicht, allerdings lehnt sich die Serie an das gleichnamige Sachbuch von US-Autor Daniel Mannix aus dem Jahr 1958 an. Das Skript wurde von Robert Rodat (»Der Soldat James Ryan«, Thor – The Dark Kingdom) verfasst.
Für Anthony Hopkins ist das nicht nur längst vergangene Weltgeschichte, sondern ein aktuelles Thema. »Die gesamte menschliche Geschichte geht mit entsetzlicher Gewalt und mit politischen Intrigen einher. Politische Gehirnwäsche gibt es heute überall. Freie Rede wird eingeschränkt, Diktaturen entstehen.«
Revival der Sandalen-Filme
Fast neun Monate verschlangen die Dreharbeiten im vorigen Jahr. »Das war härter als ein Film«, sagt Emmerich. »Meinen letzten Film habe ich in 61 Tagen abgedreht. Das hier dauerte etwa 230 Tage. Es wird Routine, aber dann bekommst Du eine zweite Luft. Die letzten beiden Monate waren ein großer Spaß«.
Ob die Zuschauer Lust auf viele Gladiatoren-Schlachten haben, wird sich zeigen. Schon in vier Monaten folgt auf der großen Leinwand der Monumentalfilm »Gladiator 2« von Regisseur Ridley Scott (86). Emmerich hat mit dem Revival der Sandalen-Filme kein Problem. »Ich habe «Gladiator», «Spartacus», «Ben Hur» gesehen. «Gladiator» habe ich am meisten gemocht. Ich glaube, das kommt in Wellen. Mal ist Zeit für dieses, mal für jenes. Themen kommen und gehen. Aber das ist eine Sache, die ich schon länger tun wollte. Ich mag den Wettbewerb.«
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