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»Aktenzeichen XY« ehrt mutige Helfer

Oft spielen sich Gewalttaten in der Öffentlichkeit ab, trotzdem sehen viele Zeugen weg. Manche Beobachter aber rufen Hilfe. Einige werden jetzt mit dem »XY-Preis« geehrt.

Verleihung des »XY-Preises«
Der Moderator Rudi Cerne. Foto: Joerg Carstensen/DPA
Der Moderator Rudi Cerne.
Foto: Joerg Carstensen/DPA

Länger als zwei Stunden wird der obdachlose Mann in einem Bochumer U-Bahnhof gequält. Ein junger Mann und eine junge Frau schlagen und treten immer wieder auf ihn. Es ist der frühe Silvesterabend 2022, die Menschen haben es eilig. Mehr als 50 Passanten gehen vorbei, aber niemand greift ein. So zeigen es Videos aus den Überwachungskameras. Erst zwei engagierte Zeugen beenden das Drama, indem sie unabhängig voneinander Hilfe rufen. Der 72-jährige Lothar C. und die junge Yelyzaveta K., die aus der Ukraine nach Deutschland kam, retten so vermutlich dem blutüberströmten Obdachlosen das Leben. Gemeinsam mit zwei weiteren mutigen Helfern wurden sie am Donnerstag von der ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY... ungelöst« mit einem Preis für ihren Einsatz ausgezeichnet.

Der mit jeweils 10.000 Euro dotierte »XY-Preis - Gemeinsam gegen das Verbrechen« wurde ihnen im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin überreicht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) würdigte die zwei Frauen und zwei Männer, alle aus Nordrhein-Westfalen, für ihre »Courage und Klugheit«.

Lothar C. und Yelyzaveta K. handelten beide, ohne sich selber in Gefahr zu bringen, aber trotzdem entschlossen und richtig. Lothar C. setzte einen Notruf an die Polizei ab und beschrieb die Situation. Yelyzaveta K. kam kurz darauf an derselben Stelle vorbei. Weil sie noch nicht gut Deutsch sprach, rief sie einen Freund an, der die Polizei alarmierte. »Man muss sich nur vorstellen, man kommt selbst in so eine Lage, ich musste einfach helfen«, sagte Lothar C. am Donnerstag.

Psychisch kranker Täter

»Es war wirklich schrecklich, ich habe das nicht erwartet, weil ich habe gedacht, Deutschland ist ein sicheres Land«, berichtet Yelyzaveta K. »Dann habe ich das gesehen und war geschockt. Aber ich glaube, alle Menschen sollen sich gegenseitig helfen, immer.« An dieser Stelle mischt sich noch mal der Laudator, Schauspieler Jürgen Vogel, ein. »Wir spielen manchmal die Helden, ihr seid es wirklich im privaten Leben. Vielen Dank.«

In einem anderen Fall der Preisverleihung sieht eine ältere Frau am frühen Morgen im Herbst 2022 aus einem Aachener Bürogebäude einen Mann und eine Frau an der Straße. Andere Zeugen erkennen kein Problem, Klara C. begreift schnell, dass die sexuellen Handlungen nicht einvernehmlich sind und die Frau, starr vor Angst, in einer echten Notlage ist. »Es gibt genug Menschen, die wegschauen, aber da gehöre ich nicht zu«, sagt Klara C. in breitem rheinischen Singsang. Sie ruft die Polizei, lässt Täter und Opfer nicht mehr aus den Augen und kann die Polizisten zu ihnen führen. Es stellt sich heraus, der Mann hatte die Frau bereits vergewaltigt und wollte sie zum Geldabheben zwingen.

In Mülheim wird im Sommer 2022 der aus Syrien stammende Paketbote Mohamad Al H. Zeuge, als ein psychisch kranker Täter aggressiv herumschimpft und schließlich einer 81-jährigen Frau ein Messer in den Rücken rammt. Mohamad Al H. kennt die Wohnung der Frau und alarmiert die Angehörigen, zugleich ruft er die Polizei und verfolgt den Täter. Als der sich einer Bushaltestelle nähert, wo Kinder und ältere Menschen warten, hält er den Täter auf und umklammert ihn. Nach drei bis vier Minuten seien die Polizisten eingetroffen, sagt er. »Ohne Polizei wäre ich nicht weiter mit dem Mann klargekommen, das war sehr schwierig. Dieser Preis ist auch für die Polizei hier in Deutschland.« Die 81-Jährige wurde ZDF-Angaben zufolge nach der Messerattacke operiert und überlebte.

Faeser: »Schauen Sie hin«

Mehrfach bittet Innenministerin Faeser an diesem Vormittag auf der Bühne: »Schauen Sie hin, wenn Ihnen etwas seltsam vorkommt. Und rufen Sie Hilfe.« Die Helfer seien Vorbilder, die »handelten, als andere in Not waren«. Niemand müsse sich in Gefahr bringen, wichtig sei nur, nicht wegzusehen, sondern die Polizei zu alarmieren: lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Am 29. November sind die Preisträger in der Live-Sendung »Aktenzeichen XY... ungelöst« zu Gast und sprechen über ihr Handeln.

© dpa-infocom, dpa:231123-99-53731/2