BERLIN. Mesut Özil hat sein monatelanges Schweigen zu den umstrittenen Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gebrochen. In einer Erklärung auf Englisch, die er am Sonntag bei Twitter veröffentlichte, verteidigte der Fußball-Nationalspieler die Aufnahmen von einem Treffen Mitte Mai in London. Sie zeigen Özilbeziehungsweise dessen DFB-Teamkollege Ilkay Gündogan mit Erdogan einen Monat vor der Fußball-WM bei einer Veranstaltung in London. Kritiker sahen dies als Wahlhilfe für Erdogan. Özil erklärte, unabhängig vom Ausgang von Wahlen hätte er das Foto in jedem Fall gemacht. Dabei sei es nicht um Politik oder Wahlen gegangen, sondern darum, das höchste Amt des Landes seiner Familie zu respektieren.
Özil verwies in seiner Erklärung auf seine türkischen Wurzeln. Sich nicht mit Erdogan zu treffen, hätte bedeutet, diese Wurzeln nicht zu respektieren, unabhängig davon, wer Präsident sei. Im Gespräch mit Erdogan sei es um Fußball gegangen, nicht um Politik. Sein Beruf sei Fußballspieler, nicht Politiker, schrieb Özil. Mit Erdogan habe er sich erstmals bereits 2010 getroffen, nachdem dieser zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel das Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei in Berlin besucht habe.
Die Affäre um die Fotos hatte seit ihrer Entstehung zu Unruhe geführt. Gündogan und Özil waren in der Angelegenheit sogar zu einem Gespräch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast. Nach dem erstmaligen WM-Aus hatten Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Reinhard Grindel zuletzt gefordert, Özil solle sich öffentlich erklären. Beiden wurde daraufhin vorgeworfen, sie würden den 29-Jährigen zum Buhmann nach dem erstmaligen WM-Vorrunden-Aus einer deutschen Nationalmannschaft machen.
Unklar ist auch nach Özils Erklärung seine Zukunft in der Nationalmannschaft. Der Weltmeister von 2014 äußerte sich dazu nicht. Die nächsten Länderspiele stehen am 6. September gegen Weltmeister Frankreich und am 9. September gegen Peru auf dem Programm. Bundestrainer Joachim Löw will sein Aufgebot am 29. August bekanntgeben. (dpa)
Özil Äußerungen im Wortlaut
Hier der Wortlaut in einer Übersetzung der Deutschen Presse-Agentur aus dem Englischen:
"In den vergangenen Wochen hatte ich die Zeit zu reflektieren und über die Ereignisse der vergangenen Monate nachzudenken. Als Folge möchte ich meine Gedanken und Gefühle, über das was passiert ist, teilen.
Wie bei vielen Menschen reicht auch bei mir die Ahnenreihe in mehr als ein Land. Während ich in Deutschland aufgewachsen bin, liegen die Wurzeln meiner Familie fest in der Türkei. Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches. In meiner Kindheit hat mich meine Mutter gelehrt, immer respektvoll zu sein und nie zu vergessen, woher ich komme, und das sind Werte, über die ich bis heute nachdenke.
Im Mai habe ich Präsident Erdogan in London bei einer Wohltätigkeits- und Bildungsveranstaltung getroffen. Wir haben uns zuerst 2010 getroffen, nachdem er und Angela Merkel zusammen das Spiel Deutschland gegen die Türkei in Berlin angeschaut haben. Seitdem haben sich unsere Wege viele Male rund um den Globus gekreuzt. Mir ist bewusst, dass das Bild von uns eine große Resonanz in den deutschen Medien hervorgerufen hat, und auch wenn mich einige Leute der Lüge bezichtigen oder der Täuschung, hatte das Foto keine politische Intention. Wie gesagt, meine Mutter hat mich nie den Blick auf meine Ahnen, mein Erbe und und meine Familientraditionen verlieren lassen. Ein Foto mit Präsident Erdogan zu machen, hatte für mich nichts mit Politik oder Wahlen zu tun, es war aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes meiner Familie. Mein Beruf ist der des Fußballspielers, nicht des Politikers, und unser Treffen war keine Unterstützung irgendeiner Politik. Tatsächlich haben wir über dasselbe Thema gesprochen, wie wir es immer tun, wenn wir uns treffen - Fußball - weil er in seiner Jugend auch ein Spieler war.
Obwohl die deutschen Medien etwas anderes dargestellt haben, ist die Wahrheit, dass nicht den Präsidenten zu treffen bedeutet hätte, die Wurzeln meiner Vorfahren nicht zu respektieren, von denen ich weiß, dass sie stolz darauf wären, wo ich jetzt bin. Für mich ist es nicht von Bedeutung gewesen, wer Präsident war, es war von Bedeutung, dass es der Präsident war. Der Respekt vor dem politischen Amt ist eine Betrachtungsweise, von der ich sicher bin, dass sie auch von der Königin und Premierministerin Theresa May geteilt wurde, als sie Erdogan in London empfangen haben. Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Taten wären nicht anders gewesen.
Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist, da in den meisten Kulturen der politische Anführer nicht von der Person getrennt gedacht werden kann. Aber in diesem Fall ist es anders. Was auch immer der Ausgang der vorangegangenen Wahl gewesen wäre oder auch der Wahl zuvor, ich hätte dieses Foto gemacht."