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Russland vs. Ukraine - ein Krieg um die Wahrheit in den Sozialen Medien

Während sich Russland und die Ukraine mit Waffen bekämpfen, tobt im Internet ein Krieg um die Wahrheit. Welche Fake News die Runde machen und mit welcher kuriosen Aktion Putins Zensur umgangen werden soll.

Schlachtfeld Social-Media: Russland und die Ukrainekämpfen um die Meinungshoheit im Internet.
Schlachtfeld Social-Media: Russland und die Ukrainekämpfen um die Meinungshoheit im Internet. Foto: dpa; Montage: Capo
Schlachtfeld Social-Media: Russland und die Ukrainekämpfen um die Meinungshoheit im Internet.
Foto: dpa; Montage: Capo

REUTLINGEN. Seit Tagen flimmert der Schrecken des Krieges über unsere Smartphone-Bildschirme. Videos von zerbombten Gebäuden, Bilder von toten Soldaten und verletzten Kindern, Postings über eingenommene Städte. Gekämpft wird nicht nur auf ukrainischem Boden, sondern auch im Internet. Auf Twitter, Telegram, Facebook, Google und anderen Plattformen ringen Russland und die Ukraine derzeit um die Meinungshoheit.

Die Welt erlebt den »ersten Krieg in der Geschichte, der mit einem kleinen, aber wichtigen Anteil auch auf Social Media geführt wird«, schreibt Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation, auf Twitter. Welches Land die Schlacht im Netz dominiert, ist schwer zu sagen. Experten sehen Wolodimir Selenskyj jedoch besser aufgestellt.

Erstens zählt der Twitter-Account des ukrainischen Präsidenten mit 4,7 Millionen Followern mehr als der Kanal »President of Russia«, der dem russischen Staatsoberhaupt Wladimir Putin zugeschrieben wird. Zweitens weiß sich Selenskyj im entscheidenden Moment immer wieder in Szene zu setzen. »Glauben Sie den Fälschungen nicht.« Mit diesem Satz auf Twitter und einem kurzen Video auf der Straße in Kiew räumte er in einem Rutsch die russische Kriegspropaganda ab, die behauptete, er habe das Land längst verlassen.

In den Sozialen Medien hat der Ukraine-Konflikt innerhalb weniger Tage eine Lawine von Informationen ausgelöst. Fake News zu identifizieren, ist bei dieser Masse schwierig. Viele Bilder und Videos haben keine Quellenangabe, sind manipuliert oder werden in einem falschen Kontext gestellt. Auch die Sprachbarriere erschwert es oftmals, Fälschungen zu erkennen. Doch die gibt es haufenweise.

Gasexplosion oder Raketenangriff?

So verbreitete sich auf Telegram etwa ein russischer Bericht, in dem behauptet wurde, das Foto eines zerstörten Gebäudes zeige die Folgen einer Gasexplosion aus dem Jahr 2018 und nicht einen russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in der Ost-Ukraine. Ebenfalls auf Telegram wurde der Beschuss eines Kindergartens in Luhansk am 17. Februar durch pro-russische Separatisten als Fake bezeichnet. Beides entlarvte das Recherchenetzwerk »Correctiv« als falsch.

In anderen Fällen sind Bilder nicht manipuliert, aber Teil einer Inszenierung. Beispielsweise bei einem Beitrag des russischen Staatssenders »RT« über die Evakuierung von Waisenkindern aus einem Heim in Donezk. Solche Clips wurden nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) massenhaft in Sozialen Medien platziert und durch bezahlte Anzeigen von »RT« in den Nachrichtenstrom auf Facebook eingeschleust.

Doch dieser Kanal bleibt künftig versperrt. Facebook nimmt kein Geld für Propagandawerbung mehr an und hat gleichzeitig die Werbefinanzierung der »RT«-Inhalte gestoppt. Twitter und Google kündigten an, sich Fake News und Cyberangriffen rund um den Ukraine-Konflikt in den Weg zu stellen. Der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok beschränkten den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU.

Telegram-Mitbegründer rät zu Misstrauen

Zurückhaltender reagierte Telegram-Mitbegründer Pawel Durow. Man habe nicht die Kapazität, alle Veröffentlichungen auf Richtigkeit zu prüfen. »Ich empfehle Nutzern, misstrauisch zu sein, was die Verbreitung von Daten über Telegram angeht«, so Durow. Zahlreiche User hätten ihn gebeten, die Feeds für die Dauer des Konflikts nicht abzuschalten, da Telegram ihre einzige Informationsquelle sei.

Als Antwort auf die Sanktionen ausländischer IT-Konzerne kündigte Russland an, die Nutzung von Facebook, Instagram, WhatsApp und Messenger einzuschränken. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP stellten in der Nacht auf Freitag bereits Zugangsprobleme bei den Websites von Facebook fest. Onlineangebote der Deutschen Welle, der BBC und anderer westlicher Sender waren in Russland ebenfalls nicht mehr abrufbar.

Kuriose Aktion auf Google Maps

Um die Zensur zu umgehen, hat das Netzkollektiv »Anonymous« dazu aufgerufen, Bewertungen russischer Geschäfte und Restaurants auf Google Maps zu kapern und so den Krieg in der Ukraine zu thematisieren. Ein Beispiel der Aktivisten: »Das Essen war super! Leider hat Putin uns den Appetit verdorben, als er die Ukraine angegriffen hat. Lehnt euch gegen den Diktator auf, stoppt den Mord an unschuldigen Leuten! Eure Regierung lügt euch an. Steht auf!« (GEA/dpa)