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Gesetz gegen Hass: Plattformen lehnen viele Beschwerden ab

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz wollte die Bundesregierung dafür sorgen, dass Hassinhalte im großen Stil und schnell aus den sozialen Netzwerken verschwinden. Tatsächlich werden nur vergleichsweise wenig Inhalte aus Twitter, Facebook und YouTube gelöscht.

BERLIN. Ein Jahr nach Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes gegen Hass im Netz zeigt sich, dass ein Großteil der Beschwerden abgelehnt wird.

Das geht aus den Transparenzberichten der großen Plattformen Twitter, Facebook und YouTube zum zweiten Halbjahr 2018 hervor. Die Konzerne sind nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet, diese Zahlen zu veröffentlichen.

So verzeichnete der Kurznachrichtendienst Twitter zwischen Juli und Dezember 283.462 Beschwerden, in nur acht Prozent (23.165) der Fälle wurden Einträge gelöscht. Bei YouTube wurden knapp 251.000 Inhalte gemeldet, entfernt oder blockiert wurden mehr als ein Fünftel davon (54.644). Der größte Teil davon bezog sich auf Hassrede und politischen Extremismus.

Derweil gingen bei Facebook - wo ein komplizierteres Meldeverfahren existiert - lediglich Beschwerden zu 1048 Inhalten ein. Oft handelt es sich es um Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung. 369 Inhalte (35 Prozent) seien gesperrt oder gelöscht worden.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war am 1. Januar in Kraft getreten. Es schreibt vor, dass die Plattformen klar strafbare Inhalte 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen - und in weniger eindeutigen Fällen eine Woche Zeit haben. Wer dieser Forderung wiederholt und systematisch nicht nachkommt, dem drohen Strafen in Millionenhöhe.

Allerdings hatte das NetzDG, so die Kurzform, immer wieder für Kritik gesorgt. Gegner argumentieren, dass es die Betreiber dazu verleite, aus Angst vor Bußgeld grenzwertige Inhalte eher zu sperren. Das könne zu Zensur führen. In den Anfangstagen war etwa ein Satire-Tweet der Zeitschrift »Titanic« gelöscht worden.

Diese Gefahr sieht die rechts- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker nicht. Die Zahlen zeigten, dass von Zensur und Overblocking keine Rede sein könne. »Nach wie vor löschen die Plattformen in einen maßvollen Rahmen und berufen sich dabei weitüberwiegend auf Verstöße gegen die eigenen Community-Standards.«

Wenn die Netzwerke nicht schnell genug reagieren, können sich die Anwender beim Bundesamt für Justiz beschweren. Dort ist die erwartete Beschwerdewelle allerdings ausgeblieben. Im gesamten Jahr 2018 sind über das Online-Formular laut Medienberichten 714 Anzeigen eingegangen. Die Prognosen ursprünglich bei 25.000 Fällen im Jahr.

Grünen-Politikerin Renate Künast forderte dagegen die "groben Fehler" bei der Schaffung des Gesetzes zu beseitigen. "Wir
brauchen eine wirksame Gesamtstrategie gegen die Verrohung des
Diskurses und Einschüchterung engagierter Menschen im Netz", sagte Künast. (dpa)