Der Kachowka-Staudamm nahe der ukrainischen Stadt Cherson ist zerstört worden. Gigantische Wassermassen wurden entfesselt und ergießen sich in eine Region, in der 16 000 Menschen leben. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, für die humanitäre und ökologische Katastrophe verantwortlich zu sein.
Auch wenn sich die Aussagen nicht unabhängig überprüfen lassen, spricht alles für eine Sprengung durch die russischen Streitkräfte, die den Staudamm seit Monaten unter ihrer Kontrolle haben. Die Überschwemmung der Ufer des Dnipro erschwert die geplante Gegenoffensive der Ukraine, die im Gebiet von Cherson droht, einen Keil in die Versorgungslinie für die annektierte Halbinsel Krim zu treiben. Dass zur Erlangung eines strategischen Vorteils die Leben Tausender Zivilisten gefährdet werden, zeigt einmal mehr die menschenverachtende Art der Kriegsführung der russischen Befehlshaber.
Doch nicht nur den Menschen in der Ukraine begegnet der Kreml mit Rücksichtslosigkeit, sondern auch den Bewohnern der Krim, die Putin ja als Bürger Russlands betrachtet. Das Wasserkraftwerk des Kachowka-Staudamms lieferte nämlich den Strom für die annektierte Halbinsel. Außerdem speiste der Stausee ein Reservoir für das Kühlsystem für das Atomkraftwerk Saporischschja. Auch wenn Experten der IAEA noch keine unmittelbare Gefahr für den Reaktor sehen, könnte sich das jederzeit ändern, wenn Putin der Ansicht ist, dass dies seinen Kriegszielen dienlich ist. Wer heute Staudämme sprengt, schreckt morgen auch nicht vor Atomkraftwerken zurück.