BERLIN. Die Briten schütteln den Kopf und fragen sich: Warum hat ein verurteilter Sex-Straftäter Asyl erhalten und konnte dann einen grauenhaften Angriff auf eine Frau und ihre beiden Töchter ausüben? Abdul Ezedi wird zurzeit von der britischen Polizei gejagt.
Der 35-jährige Afghane hatte in Südlondon insgesamt zwölf Menschen teils schwer verletzt. Er warf einer 31-jährigen Frau eine ätzende Lauge ins Gesicht und griff auch ihre beiden Töchter, drei und acht Jahre alt, an. Mutter und Tochter trugen, wie die Polizei hinterher bekanntgab, »lebensverändernde Verletzungen« da-von. Passanten, die zu Hilfe eilten, sowie Polizeibeamte wurden ebenfalls verwundet. Azedi konnte flüchten und wurde beim Verlassen eines Supermarktes in Nordlondon von einer Überwachungskamera gefilmt. So konnte die Polizei ein Foto veröffentlichen, auf dem zu sehen ist, dass Ezedi sich bei dem Angriff auch selbst verstümmelt hat: Die Ätzlauge zersetzte seine rechte Gesichtshälfte.
Die Bilder von Überwachungskameras, die den Angriff zeigen, waren schon dramatisch genug. Der Fall sorgte umgehend für nationales und internationales Aufsehen, das am Donnerstagabend noch geschürt wurde, als herauskam, dass Abdul Ezedi 2018 wegen »sexuellen Missbrauchs und Entblößung« von einem Gericht in Newcastle verurteilt worden war. Dennoch erhielt der Mann wenige Jahre später Asyl.
Zum Christentum übergetreten
Er hatte angegeben, zum christlichen Glauben übergetreten zu sein, und den Brief eines Priesters vorgelegt, der bescheinigte, dass Ezedi sich seinem neuen Glauben »völlig verpflichtet« fühle. Weil ihm wegen des Konfessionswechsels in seiner Heimat Afghanistan Verfolgung droht, wurde ihm Asyl gewährt. Seine Verurteilung spielte dabei keine Rolle, denn erst ab einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahre hätte nach damals geltendem Recht eine Abschiebung erfolgen können.
Jetzt entbrennt im Königreich eine Debatte darüber, ob Ezedi überhaupt Asyl hätte erhalten sollen. Das Innenministerium werde sich »ernste Fragen stellen müssen«, meinte Tamara Cohen vom Sender Sky News. Robert Jenrick, der als ehemaliger Staatssekretär zuständig für Einwanderung war, erwartet eine »detaillierte Überprüfung« des Falles durch Innenminister James Cleverly, nicht zuletzt, weil ein Konfessionswechsel ein bekannter Trick von Asylbewerbern sei. Auch sein Kollege Sir John Hayes rief nach Reformen: »Dieser Fall bietet eine Gelegenheit, nicht nur die Kriterien für die Gewährung von Asyl zu prüfen, sondern auch, wie wir mit jenen umgehen, die bekannte Kriminelle sind«, sagte er der Zeitung »Telegraph«.
David Johnston, Staatssekretär für Kinder und Familien, erklärte, dass die Regierung entschlossen sei, »das Asylkarussell zu beenden«. In einem Interview sagte er: »Die britische Öffentlichkeit versteht nicht, warum gewisse Leute kontinuierlich in der Lage sind, gegen Asylablehnungen vorzugehen.« Selbst der Premierminister Rishi Sunak schaltete sich am Freitag in die Debatte ein, sprach von einer »entsetzlichen Untat« und sagte, dass »ausländische Kriminelle nicht in der Lage sein sollen, in Großbritannien zu bleiben«. Flüchtlingshilfsorganisationen wenden ein, dass die meisten Asylsuchenden keine Kriminellen seien und drei Viertel aller Asylbewerbungen bewilligt werden. (GEA)