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Wie Großbritannien das Rauchen verbieten will

Zwei Drittel der Briten sind für das schärfste Anti-Tabak-Gesetz der Welt. Eine Mehrheit gilt als sicher

Die beiden Ex-Premierminister Liz Truss (links) und Boris Johnson wettern gegen das »bescheuerte« Anti-Raucher-Gesetz ihres Nac
Die beiden Ex-Premierminister Liz Truss (links) und Boris Johnson wettern gegen das »bescheuerte« Anti-Raucher-Gesetz ihres Nachfolgers Rishi Sunak. FOTO: DPA
Die beiden Ex-Premierminister Liz Truss (links) und Boris Johnson wettern gegen das »bescheuerte« Anti-Raucher-Gesetz ihres Nachfolgers Rishi Sunak. FOTO: DPA

LONDON. Das britische Unterhaus stimmte am Dienstag in zweiter Lesung für die Annahme eines der weltweit schärfsten Anti-Tabak-Gesetze, das jetzt in den Ausschüssen beratet werden wird. Der Entwurf erlässt eine Art lebenslanges Rauchverbot für Personen, die ab dem 1. Januar 2009 geboren wurden. Kinder, die heute 15 Jahre oder jünger sind, sollen zukünftig in England keine Tabakprodukte mehr kaufen dürfen, da die Altersgrenze, die zurzeit noch bei 18 Jahren liegt, ab 2027 jedes Jahr um zwölf Monate erhöht wird. Damit sollen künftige Generationen rauchfrei gemacht werden. »Niemand von uns«, kündigte Premierminster Rishi Sunak sein wegweisendes Gesetz an, »will, dass unsere Kinder aufwachsen, um zu rauchen.«

Rauchen ist die größte vermeidbare Ursache von Krankheit und Tod, etwa 80.000 Menschen sterben jährlich an seinen Folgen. Vier von fünf Rauchern im Königreich gewöhnen sich das fragwürdige Vergnügen an, bevor sie 20 Jahre alt sind. Rund 128.000 junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahre kamen im letzten Jahr zum Heer der Nikotinabhängigen hinzu. Das ist freilich kleiner geworden über die letzten Jahre – 12,9 Prozent, also rund 6,4 Millionen Menschen im Jahre 2022 gegenüber gut 20 Prozent zehn Jahre davor – aber immer noch gibt es laut »Cancer Research UK« jedes Jahr eine halbe Million Krankenhauseinweisungen, die mit Rauchen zu tun haben. Die Tabaksucht verursacht Unkosten für den Nationalen Gesundheitsdienst und für die Volkswirtschaft aufgrund verlorener Produktivität in Höhe von rund 17 Milliarden Pfund, während die Tabaksteuer dem Staatsäckel nur knapp neun Milliarden Pfund einbringt. Künftige Generationen erst gar nicht in Versuchung zu führen, ist das Ziel des Gesetzes, und es macht angesichts der deutlichen Zahlen auch viel Sinn. Auch politisch ist es ein Selbstläufer. Es kostet kein Geld, sondern vermeidet Unkosten. Es nimmt niemandem etwas weg, sondern verhindert künftige Abhängigkeiten. Es hat breite Unterstützung in beiden Kammern des Parlaments und bei den Parteien – Labour hatte es ursprünglich angeregt, bevor Rishi Sunak es bei der letzten Parteikonferenz der Konservativen als sein eigenes Projekt ankündigte. Und auch in der Bevölkerung ist das Gesetz populär: 66 Prozent der Briten wollen es, während nur 14 Prozent dagegen sind.

Doch ausgerechnet in der Regierungspartei hatte sich Widerstand geregt. Die frühere Premierministerin Liz Truss, die es auf 49 Tage im Amt brachte, sprach sich gegen das Gesetz aus, weil es einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht darstelle. Auch der Ex-Premier Boris Johnson wetterte, das Gesetz sei »absolut, absolut bescheuert«. Er berief sich dabei auf den Zigarrenraucher Winston Churchill – ausgerechnet die Partei des Kriegsheroen wolle jetzt eine illiberale Politik durchziehen. Die innerparteiliche Opposition kommt hauptsächlich aus dem libertären Lager der Konservativen, das den Umstand, dass der Fraktionszwang aufgehoben wurde, zur Gelegenheit nahm, gegen ihren Premier zu stimmen.

Das Gesetz beschäftigt sich auch mit dem sogenannten Vapen, denn das Rauchen von E-Zigaretten hat unter jungen Leuten stark zugenommen. Die Kinderärztevereinigung »Royal College of Paediatrics« warnte vor einer »Epidemie unter Minderjährigen«, nachdem bekannt wurde, dass sich die Zahl der 11- bis 17-Jährigen, die es probiert haben, in den vergangenen drei Jahren auf über 20 Prozent verdoppelt hat. Daher sollen jetzt E-Zigaretten für Jugendliche unattraktiver gemacht werden, indem bunt-schrille Verpackungen und süße Geschmacksrichtungen (zum Beispiel Vanille, Erdbeere, Zimt) eingeschränkt werden. (GEA)