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Weihnachten 2018: Die Kraft des Erinnerns

FOTO: PR
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Weihnachten bringt die Menschen zusammen. Das lässt sich schon am Verkehr ablesen.Vor den Festtagen sind die Straßen von Kiel bis Konstanz besonders voll, eine Staumeldung reiht sich an die nächste. Jeder fährt nach Hause. Selbst Kinder, die sich von ihren Eltern entfremdet haben, suchen an diesen Tagen den Weg zurück, um sich unter dem Baum zu versammeln. Es ist die Kraft des Erinnerns, die uns zusammenführt. Auch wenn sich das Ereignis vor 2 000 Jahren im Morgenland abgespielt hat. Weihnachten ist ein Fest der Familie.

Historiker haben zwar berechtigte Zweifel, ob sich die Weihnachtsgeschichte wirklich so zugetragen hat, wie es in der Bibel zu lesen ist. In den Schriften der Evangelisten gibt es sehr große Unterschiede. Nur bei Matthäus und Lukas beginnt die Erzählung mit der Geburt des Gottessohnes. Umstritten ist ebenso, ob Bethlehem wirklich der Geburtsort von Jesus war. Dennoch können die Einwände der Historiker der Anziehungskraft der Weihnachtsgeschichte nichts anhaben. Denn aus Sicht der Gläubigen ist das unerheblich. Die Symbolik zählt. Sie behält trotz aller Zweifel ihre Wirkkraft. Eine Frau und ihr Mann sind auf der Flucht. Sie suchen eine Herberge und dort bringt Maria den Gottessohn zur Welt. Es ist eine Geschichte über Zusammenhalt, Flucht, Heimat und Vertreibung.

Natürlich kann der Heilige Abend auch zu einem hohlen Ritual verkommen, bei dem es nur darum geht, die Illusion eines innigen Zusammengehörigkeitsgefühls entstehen zu lassen. Doch unabhängig davon, wie stark der Glaube oder wie groß die Entfremdung vom christlichen Fundament und dessen Werten sein mag: Weihnachten bietet immer die Chance für einen Neufang, für eine Rückbesinnung auf den Glauben, an die Familie, an die eigenen Wurzeln.

Die Kraft des Erinnerns wird gerade in einem Land wie Deutschland, das durch den Fleiß und Erfindergeist seiner Bürger, die die Zukunft gestalten wollen, allzu oft unterschätzt. Zuweilen wird sogar kritisiert, dass die Menschen in der Bundesrepublik zu sehr der Vergangenheit nachhängen. Manche stellen sogar die Sinnhaftigkeit des Erinnerns grundsätzlich infrage. Dabei wird aber übersehen, dass die eigene Geschichte viel mehr ist als nur vergangene Zeit oder eine Aneinanderreihung von Ereignissen. Die eigene Historie und wie wir sie verstehen und deuten, ist die Basis für unsere Überzeugungen. Sie bilden die Grundlage für unsere nationale Identität. Sie erklären unser Handeln und verbinden die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen.

Deutschland ist zwar auch an Weihnachten kein Wintermärchen, aber die Stimmung ist doch eindeutig: Musik, Gebäck, Weihnachtsbäume, dekorierte Auslagen in den Ladengeschäften, die Straßen und Gassen in Deutschland sind voller Weihnachtsatmosphäre. Jeder kann erkennen, wie lebendig unsere Erinnerungskultur ist. Weihnachten ist eben mehr als ein christliches Fest. Es ist zugleich auch ein Symbol für das Suchen nach Heimat, eine Rückbesinnung auf uns selbst und unsere Herkunft. Da lohnt sich jeder Weg. Auch wenn er noch so weit sein mag.

davor.cvrlje@gea.de